Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

DOI issue:
I. Theil: Abhandlungen
DOI article:
Glück, Gustav: Aus Rubens' Zeit und Schule: Bemerkungen zu einigen Gemälden der kaiserlichen Galerie in Wien
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0043
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Aus Rubens' Zeit und Schule.

37

Rembrandts Ruhm war zu dieser Zeit in den südlichen Niederlanden noch nicht so sehr verbreitet, als
wir heute denken möchten. Erzherzog Leopold Wilhelm besaß von dem größten holländischen Künstler
ein einziges Bildchen mit der Darstellung eines Astrologen, ein Bildchen, das wir uns nach der Be-
schreibung des Inventars 1 als ein Jugendwerk etwa in der Art der sogenannten Philosophen im Louvre
und in Braunschweig denken müssen und das sicherlich von der Bedeutung des Meisters keine Vor-
stellung zu geben vermochte. Hatte demnach der Erzherzog entweder wenig Kenntnis von Rem-
brandts Werken oder auch vielleicht wenig Verständnis für seine Eigenart, so lag sicherlich für nieman-
den ein Grund vor, ihm gegenüber ein Bildnis als das Rembrandts auszugeben, das nicht wirklich den
Künstler vorstellte. Dazu kommt, daß die Ähnlichkeit unseres Porträts mit den radierten Jugend-
bildnissen, die wohl damals auch in die südlichen Niederlande gelangt sein mochten und zum Ver-
gleiche hätten dienen können, nicht gerade besonders auffallend ist. Dies ist wieder ein Grund mehr
zu glauben, daß die Angabe, das Bildnis sei das Rembrandts, auf eine gute Uberlieferung zurückgeht,
die vielleicht aus dem Munde des Künstlers selbst stammt, der das Bild gemalt hat.

Die Bildnisse, die wir von Rembrandts Person aus seinen jungen Jahren besitzen, sind alle von
seiner Hand und tragen den Stempel seiner von Anfang an gewaltigen, eigenwilligen Individualität.
Es ist daher kein Wunder, wenn wir denselben Kopf in der Auffassung eines anderen Künstlers
nicht so leicht wiederzuerkennen vermögen. Dennoch sind die Gesichtszüge unseres Bildnisses ein-
zelnen von Rembrandts Jugendporträten, besonders einem der frühesten, dem der Gothaer Galerie
von 1629 (vgl. WTilhelm Bode, Die Graphischen Künste III, S. 59), so verwandt, daß man an der Iden-
tität der Person kaum zweifeln kann. Es ist derselbe ziemlich magere Jünglingskopf mit den blonden
Locken, der breiten Nase, die in späterem Alter klobigere und schwammigere Formen annimmt, und
dem dicklippigen Munde, der hier durch das Lächeln breiter als sonst erscheint. Der Ausdruck ist froh
und lebenslustig im Gegensatze zu dem melancholischen Zuge der späteren Bildnisse des Meisters.

Die Möglichkeit, daß Jan Lievens Rembrandt in dessen jungen Jahren gemalt haben könnte,
läßt sich nicht abweisen. Lievens war wie Rembrandt ein Leidener Kind und nur ein Jahr jünger.
Wenn auch die Angabe, die beiden seien gleichzeitig Schüler bei Lastman in Amsterdam gewesen,
unrichtig ist, wie Cornelis Hofstede de Groot (Arnold Houbraken und seine «Groote Schouburgh»
kritisch beleuchtet, Haag 1833, S. 3g3 Anm.) nachgewiesen hat, so kann es doch kaum zweifelhaft
sein, daß sich die beiden Künstler in ihren Jugendjahren gekannt haben. Lievens war 1617 bis etwa
161g in Lastmans Werkstatt, wohin Rembrandt erst ungefähr im Jahre 1623 kam. Es ist wahrschein-
lich, obwohl nicht mit Sicherheit nachweisbar, daß Lievens nach seiner Lehrzeit 1619 in seine Vater-
stadt Leiden zurückgekehrt ist. Hier könnte gerade er dem jungen Rembrandt oder dessen Vater die
Lastmansche Werkstatt, der er wohl viel zu verdanken hatte, zur letzten Ausbildung empfohlen haben.
Aus dieser Zeit, etwa aus den Jahren 1620 bis 1623, scheint mir dem Alter des Dargestellten nach
unser Bildnis oder vielmehr dessen malerische oder zeichnerische Vorlage zu stammen. Es wäre dem-
nach das früheste Bild, das wir von Rembrandts Person besitzen.

Die malerische Behandlung des Bildnisses weist nun aber mit Bestimmtheit -auf eine viel spätere
Zeit hin. Diese Beobachtung macht es notwendig anzunehmen, daß Lievens das Bild, das uns hier
vorliegt, nach einer Zeichnung oder Skizze gemalt hat, die er aus jener früheren Zeit bewahrt hatte.
Ort und Zeit der Entstehung des Bildes ergeben sich aus der Betrachtung der Blumen, mit denen
Lievens' Mitarbeiter das Bildnis geschmückt hat. Diese Umrahmung kann man mit großer Wahr-
scheinlichkeit als ein Werk der Antwerpner Schule bezeichnen. Jan Lievens war nun in den Jahren
1635 bis 1644 in Antwerpen ansässig und stand hier, wie es scheint, auf besonders gutem Fuße mit
den Blumen- und Stillebenmalern: er arbeitete mit Jan De Heem gemeinsam und malte auch dessen
Bildnis sowie das des berühmten Blumenmalers Daniel Seghers, Bildnisse, die uns noch heute in Stichen

1 «553. Ein Stuckh von Öhlfarb auf Holcz warin ein Astrologus an einem Tisch siezt vnndt hatt ein Buech führ sich,
vnndt auf dem Tisch stehet ein Globus, ein Todtenkopff vnndt andere astrologische Instrumente. In einer Ramen von
aichenholcz, hoch 3 Spann I Finger vnndt 2 Spann 7 Finger braidt. Original von dem Rheinbrandt ausz Hollandt.«
 
Annotationen