Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

DOI issue:
I. Theil: Abhandlungen
DOI article:
Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0060
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
54

Robert Stiassny.

Bildes wird besonders deutlich durch einen Vergleich mit der flachdekorativen, freskenhaften Art
des Gemäldes, das sein Wandnachbar in der kais. Galerie ist: einer Anbetung der Könige, mit der
Vermählung Marias auf der Rückseite (Nr. i3g5). Tatsächlich ist diese Flügeltafel die Arbeit eines
Tiroler Freskanten, nämlich des Brixener Kreuzgangmalers Jakob Sunter oder eines seiner Ge-
nossen.1

Derartige realistische Anläufe können jedoch über die im großen und ganzen noch recht ober-
flächliche Naturbeobachtung und geringe Körperkenntnis Pfennings nicht hinwegtäuschen. Die rund-
lich-weiche, geschwungene Zeichnung der Gestalten, die er von der älteren Kunstweise überkommen
hat, und die maßvoll einfache Komposition haben ihn wohl vor gröberen Zeichenfehlern bewahrt, vor
jenen wunderlichen Verrenkungen und mehr oder weniger unheilbaren Beinbrüchen, ohne die es in
den oberdeutschen Golgathabildern der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts mit ihrem dramatisch ge-
steigerten Leben nicht abzugehen pflegt. Die Extremitäten sind aber auch bei ihm durchwegs schwach,
die fleischigen Hände haben oft Finger von unmöglicher Länge, die Füße sind mit Absicht unter den
Gewändern versteckt. Ganz strukturlos, sackartig aufgetrieben ist die Muskulatur der drei Gekreuzig-
ten. Auch die Pferde mit den kleinen Köpfen von menschenähnlichem Ausdruck und den plumpen
Füßen sind mehr heraldisch stilisiert als aus der Anschauung gemalt. Viel Seltsames, darunter manches
Orientalische, drängt sich in Schnitt, Zutat und Aufputz der Trachten auf, deren fließender Falten-
wurf sich indess noch ziemlich frei hält von dem krausen Knitterwerk der späteren Gotik. Große Ab-
wechslung zeigen die Formen der Kopfbedeckung und mit außerordentlichem Verständnisse sind die
Waffen und Rüstungen wiedergegeben — unwillkürlich erinnert man sich, daß die Verzierung des
Stech- und Zaumzeuges, die Tartschenmalerei, die Hauptbeschäftigung der damals mit den Sattlern in
einer Zunft vereinigten weltlichen Maler, der «Schilter», gewesen ist.

Unter den Farben des Bildes spielt ein kaltes Rot, das in verschiedenen Mischungen mit Braun
und Gelb auch für den Fleischton herhalten muß, die Hauptrolle. Daneben kommen Zinnober, Schwarz
und Olivengrün, Zitrongelb, Blaßrosa und, in den Scheibennimben wie in den Zieraten, einiges Gold
vor. Sonst ist diese höchste Note für den Hintergrund aufgespart, der allein die hart und prall auf ein-
ander stoßenden Lokaltöne einigermaßen zusammenhält. Wenn das Bild so tapetenartig wirkt, so
liegt das an der gleichmäßig intensiven Färbung der vorderen und hinteren Figuren und ihrer gleich-
mäßig festen Malweise, an dem Mangel jeder Luftperspektive. Die Pläne gehen eben nicht auseinander.
Im übrigen hat aber Pfenning schon eine verhältnißmäßig sichere Vorstellung von der Tiefendimen-
sion. Die Köpfe verkleinern sich ganz richtig nach ihrer Entfernung, das Vor-, Hinter- und Durch-
einander der Gestalten mit ihren Überschneidungen, Profil- und Rückenansichten, halben und ganzen
Wendungen erweckt den Eindruck eines dichten Menschengewühles, eines tumultuarisch aufgeregten
Volkshaufens. Die Teilnahme der einzelnen Personen an dem Hergang wird durch Stellung, Bewe-
gung und Geste anschaulicher als durch die Mienen, die, im allgemeinen wenig belebt und sprechend,
nur durch die tief beschatteten Augen zuweilen einen ekstatischen oder schwärmerischen Ausdruck
erhalten. Das maskenhafte starre Antlitz Christi, die konventionellen Köpfe der Gottesmutter und
der Magdalena lassen gleichgültig. Uberzeugender getroffen ist der verhaltene Schmerz in den Zügen
des Lieblingsjüngers und die schreckhafte Neugier der hinter Maria knieenden Frau, welche, die Hände
zusammenkrampfend, den Blick nicht lassen kann von dem grausamen Schauspiel. Gut gesehen ist
auch der aufschauende Armbrustschütze in orientalischem Kostüm, rechts von der Frauengruppe, der,
den Mund weit geöffnet, den einen Fuß auf die Zehen aufstützt. Chargen von frappanter Echtheit sind
ferner der beleibte Jude unter dem Kreuz des reuigen Schachers, mit dem roten Spitzhut und dem
riesigen Setzschild auf dem Rücken, der seinen Knaben auf den Erlöser hinweist, und der Pharisäer
am rechten Bildrande mit dem nachdenklich an den Mund gelegten Zeigefinger. Endlich fallen drei
lebendig bewegte Reiterfiguren auf, treue Abbilder von Kriegsleuten und reisigen Turnierhelden der
Zeit. Links im Mittelgrunde hält ein schneidiger Junker in blankem Eisenpanzer, mit langer Speerfahne

1 Siehe Anhang I.
 
Annotationen