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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0061
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Altsalzburger Tafelbilder.

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und umgehängter roter Tartsche auf einer Fuchsstute. Er hat das Visier der Schallern aufgeklappt und
redet, das Haupt trotzig zurückwendend, den neben ihm auf einem Maultier sitzenden Pilatus an.
Der Landpfleger, eine vierschrötige Gestalt, am Hermelinkragen und Szepter kenntlich, betrachtet mit
gefühlloser Gleichgültigkeit den Erlöser. Ihm gegenüber im Vordergrunde rechts bemächtigt sich
unserer Aufmerksamkeit ein jugendlicher Reiter in prunkvoller Rüstung auf reichgeschirrtem Zelter,
eine sympathische Erscheinung von echt gotischer Eleganz. Seine Mütze von weißem Rauchwerk
schmückt ein kostbares Medaillon, am Sattelknopf hängt ein kleiner Morgenstern und um den unteren
Teil des Plattenharnisches läuft ein mit Edelsteinen und Perlen besetzter Gürtel, das sogenannte cin-
gulum militare, ein damals schon selten gewordenes Zierstück der ritterlichen Tracht. Der schmucke
Jüngling heftet einen bangen, ahnungsvollen Blick auf den Gekreuzigten — die ganze Persönlichkeit
des von der neuen Offenbarung Betroffenen sammelt sich in diesem Blicke. Mit noch innigerem
Mitgefühl erfüllt das Verscheiden des Herrn den frommen Hauptmann Longinus. In der Mitte des
Bildes, dicht unter dem Kreuze, dem Beschauer den Rücken kehrend, hat er auf seinem Schimmel
sich aufgerichtet und horcht, die Rechte in staunender Verehrung _________.

Datum, mit einer gewissen urkundlichen Feierlichkeit also, hat der JJ\ f v yy

Mal er sein ^Verk beglaubigt. Man weiß, wie gezählt im XV. Jahr- Facsimile i

hundert die Fälle dieser Art nördlich der Alpen sind. Schon ihre

soziale Stellung als Kleinhandwerker, der nivellierende Zunftgeist verwehrte den bürgerlichen Meistern,
aus ihrer Anonymität herauszutreten, die sie, wenn es hoch kam, durch ein Monogramm, das Firma-
zeichen zu lüften wagten. Als Jan van Eyck zuerst einigen seiner Bilder Namen und Jahreszahl mit
auf den Weg gab, wie spärliche Nachfolge fand sein Beispiel selbst unter den flandrischen Zeit-
genossen. Pfenning aber hat nicht nur diese Sitte übernommen sondern auch den persönlichen Wahl-
spruch des Meisters von Brügge, das stolz-bescheidene «als ikh kan». Die versteckte Form, in welcher
die Beischrift in die Borte der Pferdedecke als Ornament eingestickt erscheint, ist gleichfalls nieder-
ländischen Mustern entlehnt, wenngleich in letzter Linie orientalischen Ursprungs wie der Schellen-
behang der Decke. Dieser ist übrigens erst nachträglich an Stelle eines früheren Fransenbesatzes in
das Bild hineingemalt. Ebenso lief der äußere Kontur der Beinschiene des frommen Hauptmannes
früher weiter rechts. Letzteres Pentimento war nötig, um dem «d» vor Pfenning Platz zu machen. Weil
jedoch der so gewonnene Raum für eine Majuskel nicht reichte, begnügte sich der Maler, ein Minuskel-d
einzuflicken. Ob er damit den Anfangs- oder den letzten Buchstaben seines Vornamens gemeint hat,
ist schwer auszumachen. Der Scherz wäre ihm zuzutrauen, daß die Schabrackenborte die ersten Buch-
staben der Bezeichnung verbergen sollte. Die angestrebte kalligraphische Gleichmäßigkeit des Schrift-
charakters hat er nicht einzuhalten vermocht; unter die Majuskeln mischen sich, bezeichnend für diese
Zeit des Uberganges, bereits einzelne Kapitalbuchstaben. Der mißglückte Versuch einer perspektivi-
schen Verschiebung scheint das seltsame H des Wörtchens CHVN verschuldet zu haben, während
die N sämtlich in Spiegelschrift gegeben sind.

Der Name Pfenning war in deutschen Landen damals nicht allzuselten. Der angebliche Bau-
meister von St. Stephan in Wien, Lorenz Pfenning aus Dresden freilich, auf den Engerth im « Be-
schreibenden Verzeichnisse» hingewiesen hat, verdankte seine Existenz nur einem Lesefehler Tschisch-
kas.1 Doch wird ein Schlosser Pliening in Wiener Stadtrechnungen der Jahre 1575—1584 erwähnt.2

1 Der Stephansdom, Wien 1832, S. 4. — Der richtige Name des Werkmeisters der Wiener Kathedrale in den Jahren
1456—-1478 lautete vielmehr Laurenz Spening; siehe K. Uhlirz, Die Rechnungen des Kirchmeisteramtes von St. Stephan zu
Wien, 1902, S. XXII f.

2 Vgl. dieses Jahrbuch XVIII, 2, S. XCVIII.

Der Schabrackensaum des Schimmels trägt in gotischen Ma-
juskeln die oft zitierte nebenstehende Inschrift. Ein rotes Fähnchen
rechts vom Kreuze Christi wiederholt die Jahreszahl 1449.

erhoben, auf die letzten Worte des Sterbenden.

Mit seinem vollen Namen und dem doppelt angebrachten
 
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