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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0064
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Robert Stiassny.

malt, in dem sich kleine Klageengeln tummeln. Auf dem Original tritt diese barocke Zutat weniger
störend hervor als auf unserer — unter erheblichen Schwierigkeiten hergestellten — Aufnahme, die
auch die Spuren der letzten, zu Beginn der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts durch den Direktor
der steierischen Landes-Zeichenakademie, H. Schwach, vorgenommenen Restauration, mehrere einge-
schlagene und nachgedunkelte Stellen, nicht verleugnet.

Dem Maler mußte geradezu eine Wiederholung der Tafel Pfennings aufgetragen worden sein, so
enge hielt er sich an dieses Muster. Die kirchliche Andacht verlangte im Norden von der Kunst eben
noch immer die Gestaltung des Wohlbekannten, die Reproduktion der durch einen langen Gebrauch
geheiligten ritualen Motive, keine neuen Ideen, keine subjektiven Stimmungen. Der Begriff des artisti-
schen Eigentums, man weiß es,
war der Zeit fremd, ein verwend-
barer Einfall gehörte der Kunst,
nicht den Künstlern. Wiederum
sieht man also auf dem Grazer
Gemälde die drei Kreuze, um-
lagert von einem wogenden Volks-
gedränge, in dem man an achtzig
Köpfe zählt. Spieße, Partisanen,
Hellebarden und zwei hochflat-
ternde Fähnchen stechen in die
Luft, das eine rote links mit der
Aufschrift: S. P. Q. R., das andere
weiße rechts wie in Wien mit dem
Entstehungsdatum des Bildes, der
schon angeführten Jahreszahl 1457.
Die Form der Fünf ist ungewöhn-
lich, ihr Gebrauch steht jedoch
fest für die Zeit.1 Die österreichi-
schen Landesfarben wurden wohl
nicht ohne Absicht für die beiden
Fahnen gewählt.

Die Gestalt des Heilandes,
die leicht ausgebogene Haltung und
die schmächtige Bildung seines
Körpers, das durchsichtige Scham-
tuch entsprechen genau dem Chris-
tus Pfennings. Unmittelbar dem
Wiener Bilde entlehnt ist der fette,
stumpfsinnige Pilatus rechts vom Mittelkreuz, auf weißem Saumtier, in rotem Mantel mit Hermelin-
kragen — eine etwas possenhafte Figur im Stil der Passionsbühne. Seinen Nebenmann, der, tief er-
griffen, auf Christus deutend, ihn von dem geschehenen Unrecht zu überzeugen sucht, finden wir in
Wien an der Seite des prinzlich aussehenden vornehmen Römers, rechts im Vordergrunde. Der ge-
harnischte Lanzenreiter, der dort den Statthalter anspricht, erscheint in Graz zur Linken des Haupt-
kreuzes, auf feurigem, ungeduldig den Boden scharrendem Streitroß (Fig. 2), hinter der Marien-
gruppe, die anders angeordnet ist als auf dem Wiener Gemälde. Aus diesem ist dagegen die heil.
Magdalena wieder im Gegensinne herübergenommen. Neben ihr fesseln den Blick zwei vom Rücken
gesehene Gewappnete auf bildeinwärts verkürzten Pferden, wovon das eine mit dem aufgebunde-

Fig. 2. C. Laib, Kreuzigung (Ausschnitt).
Graz. Domkirche.

1 Vgl. Cappelli, Lexicon abbreviaturarum, Leipzig 1901, p. 441.
 
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