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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0092
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86

Robert Stiassny. Altsalzburger Tafelbilder.

von einem Hausaltärchen zwölf, ohne Frage aus einer
Werkstatt hervorgegangene Bilder, die je vier Momente
aus der Passion, aus der Legende Johannes des Täu-
fers und der Gründungsgeschichte des Klosters schil-
dern. Zwei zu dem letztgenannten Zyklus gehörige
Stücke tragen die Initialen R. F., das eine Mal von der
Jahreszahl 1501 begleitet. Reste der nämlichen Be-
zeichnung stehen auf dem ülberg, während die Ge-
fangennahme des Täufers den ausgeschriebenen Namen:
RVELAND enthält.

Dieser Meister Rueland ist als Hauptvertreter der
Altwiener Schule wiederholt eingehend besprochen
worden (die Literatur bei A. Ilg, Die Schatzkammer und
die Kunstsammlung im later. Chorherrenstifte Kloster-
neuburg, Wien 188g, S. 92). Das Interesse für ihn hat
jedoch nachgelassen, seitdem ein Wiener Ratsherr Wolf-
gang Rueland, mit dem man den Maler früher zu-
sammenwarf, als ehrsamer Ziegelofenbesitzer sich ent-
puppt hat (s. dieses Jahrbuch XVII, 2, S. CXI). In
einer Publikation der Tafelbilder des Stiftsmuseums
von C. Drexler und C. List (Wien 1901, S. 10 f.) wird
neuerdings die ältere Ansicht wieder aufgenommen,
Rueland sei nur der Vorname des Künstlers, dieser
selbst aber kein anderer als der Meister R. F. der
Wiener Galerie, also Rueland Frueauf gewesen. Hie-
gegen ist mehreres einzuwenden. Zunächst wäre eine
Signierung mit dem bloßen Vornamen durchaus un-
gebräuchlich, während der Zuname allein öfters als
Bezeichnung vorkommt. Es sei nur an den sogenannten
Rehlinger-Altar der Augsburger Galerie erinnert, der
neben dem Datum 1517 als alleinige Signatur den
Familiennamen des Malers trägt: Apt. Das Zeichen
R. F. würde dann Rueland Fecit bedeuten. Gegen die
Gleichsetzung des Klosterneuburger und Wiener Mo-
nogrammisten sprechen indes vor allem stilkritische
Gründe. Bei einiger Verwandtschaft in der hellen,
kühlen Färbung weichen die beiden Bilderzyklen in
Auffassung, Formhaltung und Technik doch beträcht-
lich von einander ab. Die Raumdisposition, in den
Wiener und Großgmainer Bildern so wenig befrie-
digend, ist in Klosterneuburg erstaunlich geschickt.
Die Gestalten haben hier ferner nicht nur ganz andere,
schlankere Verhältnisse, auch der subjektive Gefühls-
ausdruck ist verschieden, schüchterner, fast phlegma-
tisch. Eine Einzelheit wie die übereinstimmende Fels-
behandlung auf dem Wiener Ölberg und der Taufe

Christi in Klosterneuburg ist kein maßgebendes Krite-
rium, weil sie einfach auf ein gemeinsames Naturvorbild
zurückgeht, die in der Donaugegend nicht seltenen Ba-
saltfelsen. Der genremäßige Reiz der Klosterneuburger
Tafeln, ihr Zug zum Gefälligen, Niedlich-Graziösen, der
säuberliche, minutiöse, tüpfelnde Vortrag deuten eher
auf einen Zusammenhang mit den Wiener Buchmalern
der Fridericianischen Zeit, die dem Künstler auch einige
niederländische Anregungen übermittelt haben könnten.
Da die Familie Rueland in Wien alteingesessen ist, —
schon im Jahre 1404 begegnet unter den Steinmetzen
von St. Stephan ein Andreas Ruelandt (Tschischka,
S. 3; Uhlirz, a. a. O., S. 530) — so ist nicht abzusehen,
warum die Klosterneuburger Bilder von einem fremden
Meister herrühren sollten. Hiezu kommt, daß es an
Malereien ähnlichen Charakters nicht fehlt, deren Wiener
Ursprung mehr als wahrscheinlich ist. In Klosterneu-
burg selbst sieht man in der Privatkapelle des Prälaten
ein anderes, leider stark verputztes und übermaltes
Originalgemälde Ruelands, ein lebensgroßes Bild des
niederösterreichischen Landespatrons, St. Leopold, im
vollen Markgrafenornat, 1507 datiert und wieder R. F.
bezeichnet. In die Nähe Ruelands hat ferner schon
Schnaase (Geschichte der bildenden Künste, VIII2, 498)
mit Recht eine kleine Kreuzigung im Stiftsmuseum ver-
setzt, deren Monogramm: DZ noch ungelöst ist. Das
beigefügte Datum einer Restauration, 1846, hat, als 1446
verlesen, in der älteren Literatur einige Verwirrung
angerichtet. Sonderbarerweise ist noch von keiner
Seite die große Ähnlichkeit des Stammbaumes der Baben-
berger in der Schatzkammer des Stiftes, namentlich der
Frauenköpfe, mit den Ruelandbildern hervorgehoben
worden. Endlich sind als schulverwandt drei Bildchen
aus der Erasmuslegende anzureihen. Zwei davon,
früher in Wien, gegenwärtig bei Hofrat Prof. v. Kara-
jan in Graz, sind ohne ausreichende Begründung ge-
radezu Rueland zugeschrieben worden (Mitteilungen
der k. k. Zentralkommission 1879, S. 78); eine dritte,
derselben Folge angehörige Tafel ist kürzlich aus Felds-
berg in die Liechtensteingalerie nach Wien gekommen
(II. Stock, Saal X, ohne Nummer). Wir haben also eine
eigene Bilderklasse vor uns, die, weil auch im Donau-
gau entstanden, an die Richtung des Passauer Meisters
Frueauf anklingt, sonst aber die Merkmale einer beson-
deren Lokalschule zeigt, deren genauere Kennzeich-
nung außerhalb der Absicht dieser Betrachtung liegt.

Aus der Kreuzigung C. Laibs.
Graz, Domkirche.
 
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