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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Aus der Werkstatt Bonifazios
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0096
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Franz Wickhoff.

könnten wir vermuten, daß er einst ein Schüler ihres Mannes war; Wir haben nichts von seinen Wer-
ken erhalten und daher gar kein Recht, ihm die biblische Bilderfolge in der Sakristei von San Sebas-
tiano zuzuweisen, die, wie schon bemerkt, nordisches Gepräge trägt. Der Künstler ist nicht schwer
zu bestimmen. Es ist Martin de Vos, der in seiner Jugend einige Zeit bei Tintoretto arbeitete. Die
buchtenreichen Gewässer und die lichten Haine dieser Bibelbilder kehren genau so auf den Serien mit
der Schöpfung und dem Leben der heiligen Väter in der Wüste wieder, die die Brüder Jan und Raffael
Sadeler nach Martin de Vos stachen. Aber nicht nur der Zyklus, der in der Sakristei von San Sebas-
tiano von den alten Führern dem Bonifazio zugewiesen wird, ist von Martin de Vos, sondern auch das
Bild mit der ehernen Schlange, dem man unvorsichtigerweise den Namen des Tintoretto gab. Die
Bilder werden anfangs der Fünfzigerjahre gemalt sein. Auch Marietta hatte die Liebe ihres Mannes zu
dem kleinen Martius in sich erhalten; sie setzt ihn zu ihrem Erben ein und gewiß schon mit Wissen
und Willen Bonifazios, der die Stelle eines Großvaters bei dem Kinde vertreten hatte, war beschlossen
worden, ihm einem höher geschätzten Berufe zuzuführen, als der eines Malers war. Marietta erlebt noch
die Freude, ihn in ihren letzten Testamenten Doktor Martius nennen zu können. Mit dem Billigkeits-
sinne einer klugen Frau sieht sie die schiefe Stellung ein, in die er zu Vater und Geschwistern als ein-
ziger Erbe käme, sorgt daher für die Aussteuer seiner Schwestern und setzt seinen Vater zum Miterben
ein. Es ist auffallend, d-aß weder der Maler Bonifazio noch seine Frau des zweiten Sohnes Antonio
Palmas Erwähnung tun, der Maler wurde, des 1544 geborenen Giacomo, der sich später als Palma
Giovane einen Namen machte. Bei Bonifazios Tode war er schon g Jahre alt, als Marietta ihr letz-
tes Testament abfaßte, 26 Jahre, damals schon ein bekannter Maler in Venedig. Der Maler wurde
also geflissentlich übergangen, hinter den Doktor zurückgesetzt. Am Schlüsse dieser Betrachtung wer-
den wir sehen, daß auch die Werke, die nach dem Tode Bonifazios an der Stelle, wo er gearbeitet
hatte, entstanden, in nichts auf eine solche Kompanie hindeuten, wie sie Ludwig annimmt. Doch
wollen wir vorher noch den vorzüglichsten Schüler Bonifazios betrachten :

Jacopo Bassano.

Im Prado zu Madrid (Nr. 322) befindet sich ein Bild unter dem Namen des Palma Vecchio, das
manches Rätsel aufgibt (Fig. 1). Es ist eine Anbetung der Hirten, die für den ersten Blick nichts Be-
stechendes hat. Sie ist nach dem bei Palma Vecchio üblichen Schema der heiligen Konversationen kompo-
niert. Die Madonna sitzt inmitten von Heiligen, die zu beiden Seiten knien oder kauern, in einer Land-
schaft im Freien. Dieses Schema stammt aus dem Norden. Da waren es meist heilige Frauen gewesen,
zwischen denen sich die Madonna in einem Garten auf blumigem Rasen niedergelassen hatte. Diese
Anordnung war den veronesischen Künstlern schon vor der Mitte des XV. Jahrhunderts bekannt ge-
worden. Sie hatte bei Boccaccino Beifall gefunden, während sie die Venezianer vermieden. Erst von
Palma wurde sie wieder aufgenommen und glänzend durchgeführt. Sie hatte Lotto für sich gewonnen,
war von Tizian geistvoll abgewandelt worden und wurde in dieser neuen Form von Rubens und Van
Dyk in den Norden zurückgebracht. Die alte Art übertrug Palma auf seinen Schüler Bonifazio,
der fast alle Bilder, wo Maria im Kreise von Heiligen erscheint, in dieser Weise anordnete. Er verband
die Anbetung der Hirten damit, indem er zwischen die Heiligen gabenbringende Hirten einordnete, wie
auf einem Bilde in Padua, wo Franciscus und Katharina herangetreten sind. Mit diesem kühnen
Anachronismus war ihm Cima vorangegangen in einer anderen Gattung des Marienbildes, in dem
Präsentationsbilde. In dem vorliegenden Bilde aus Madrid ist nun das Schema der palmesken Kon-
versation ohne andere Zutat auf die Anbetung der Hirten rein übertragen. Die Jungfrau sitzt inmitten
des Bildes unter einem Baume, das Kind auf ihrem Schöße wendet sich segnend zwei Hirten zu, die, von
rechts herbeigekommen, ihre Gaben, Früchte und ein totes rehfarbes Zicklein, andächtig darbieten. Links
sitzt der heil. Josef. Den Raum zwischen ihm und der Jungfrau füllt ein Hirte aus, der den Heiligen
beim Arme faßt, Freude und Staunen über das hohe Wunder zutraulich ausdrückend. Hinten breitet
 
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