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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Premerstein, Anton von: Anicia Iuliana im Wiener Dioskorides-Kodex
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0122
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n6

Anton von Premerste'm.

Etwas weiter ausholen müssen wir bei der Gewandung der Iuliana, die nicht bloß als Doku-
ment patrizischer Tracht von hohem kostümgeschichtlichen Interesse ist. Wie die Standespersonen
beiderlei Geschlechtes seit der Mitte des III. Jahrhunderts überhaupt,1 trägt Iuliana drei Kleidungs-
stücke :

1. Ein dunkelviolettes (purpurnes) Untergewand
nach Art der antiken Tunica (strictoria),2 von wel-
chem nur der eng anliegende, bis ans Handgelenk
reichende und hier mit Goldstreifen verzierte Ärmel
an dem ausgestreckten rechten Unterarm sichtbar wird.

2. Darüber ist ein bis zum Boden reichendes,
ebenfalls dunkelviolettes (purpurnes), anscheinend un-
gegürtetes Obergewand mit kürzeren, weiten Armein
(Dalmatica)3 angezogen. Dieses kommt zum Vor-
schein am Halse, wo es mit einem weißen Saume und
mit Ornamenten in Rot, Lichtblau und Gold geziert
ist, am rechten Oberarm, wo es einen weiten, mit Gold-
borten besetzten Ärmel bildet, und beim linken Unter-
schenkel.

3. Auf der Dalmatica liegt nun ein Uberwurf
(icep(ßXTi(Jta) aus Goldstoff, an den Säumen mit violetten
Streifen (clavi) besetzt. Um Zuschnitt und Tragart
dieses Stückes richtig zu beurteilen, muß man den
Uberwurf der gleichzeitigen männlichen Prunktracht
zur Vergleichung heranziehen, die Toga, wie sie uns
auf Denkmälern des IV. Jahrhunderts, insbesondere
aber im V. und beginnenden VI. Jahrhundert, in rei-
cher Ornamentik erstarrt, an den Konsuln der Elfen-
beindiptychen entgegentritt. Gegenüber der Ansicht

Wilhelm Meyers,4 wonach der über den zwei Ärmelgewändern liegende Teil der Galatracht aus einem
Streifen und einem Umwurf — letzterer die alte Toga — bestanden hätte, erbrachte Josef Wilpert
in einer anregenden und ergebnisreichen Untersuchung «Un capitolo di storia del vestiario»5 den
Beweis, daß Streifen und Umwurf zusammen ein einziges Kleidungsstück, die Toga — bei den Kai-

1 A. Mau, Pauly-Wissowas Real-Encyklopädie IV, Sp. 2025.

2 Mau, a. a. O., Sp. 2025; J. Wilpert, L'arte I (1898), p. 92 f.

3 Zu der beiden Geschlechtern gemeinsamen Dalmatica vgl. Marquardt-Mau, Privatleben II2, S. 581; J. Wilpert, a. a. O.
I, p. 94; derselbe, Die Gewandung der Christen in den ersten Jahrhunderten (Görres-Gesellschaft, Dritte Vereinsschrift für
1898), S. 20 f., 25, 36 ff.; Mau, a. a. O. IV, Sp. 2025 t'. Tunica und Dalmatica sind seit der Mitte des III. Jahrhunderts
die gewöhnlichen Bestandteile der männlichen wie der weiblichen Tracht. Das Obergewand der Iuliana bespricht C. Jullian,
a. a. O., p. 25 f.

4 Zwei antike Elfenbeintafeln der k. Staatsbibliothek in München, Abhandlungen der philos.-philol. Klasse der k. baye-
rischen Akademie XV (1881), S. 22ff. Seiner Auffassung folgen u.a. Marquardt-Mau, Privatleben II2, S. 563; Mommsen,
Staatsrecht I3, S. 400, Anm. 1; H. Weiß, Kostümkunde II2, S. 45; J. Strzygowski, Die Calenderbilder des Chronographen vom
Jahre 354 (Jahrbuch des deutschen arch. Instituts, Ergänzungsheft I), S. 91 ff.; H. Graeven, Mitteilungen des deutschen arch.
Instituts, Rom. Abt., VII (1892), S. 214 ff.; E. Hula, Die Toga der späteren Kaiserzeit (XXIV. Jahresbericht des k. k. zweiten
deutschen Obergymnasiums in Brünn 1895), S. 7—16; H. Grisar in der Festschrift zum elf hundert). Jubiläum des deutschen
Campo Santo in Rom (1897), S. 96—99. Sonstige Literatur bei Wilpert, a. a. O. 1, p. 91, Anm. 1.

5 Erschienen in der Zeitschrift L'arte I (1898), p. 89 fr.; die Fortsetzung ebenda II (1899), p. I ff.; auch im Sonder-
drucke: Roma 1898—1899, 40, 2 parti. Dazu J. Wilpert, Der Parallelismus in der Entwicklung der Toga und des Pallium,
Byzant. Zeitschrift VIII (1899), S. 490 ff.; Die Gewandung der Christen (oben, S. 116, Anm. 3), S. 8 f.; H. Grisar, Geschichte
Roms und der Päpste I, S. 105. Für Wilperts Annahme scheint mir außer den von ihm angeführten Gründen auch die Be-
obachtung zu sprechen, daß der Streifen und der Sinus der Toga auf den Diptychen dasselbe Muster der Stickerei zeigen.
— In den bisherigen Erörterungen noch nicht herangezogen: stadtrömisches Relief aus diokletianischer Zeit, abgeb. bei
O.Jahn, Berichte der sächs. Gesellschaft der Wissensch. 1868, Taf. IV (vgl. S. 195 ff), und A. v. Domaszewski, Westdeutsche
 
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