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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Premerstein, Anton von: Anicia Iuliana im Wiener Dioskorides-Kodex
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0130
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Anton von Premcrstein. Anicia Iuliana im Wiener Dioskorides-Kodex.

stauration der Kirche der heil. Euphemia (oben, S. 109) — ausgefüllt denken müssen. Demnach kann
die Vollendung der Handschrift auf keinen Fall weit über das Jahr 512 hinausgerückt werden. Ganz
ausgeschlossen sind die letzten Lebensjahre Iulianas (etwa 524—528), in welchen das herrlich ge-
schmückte Heiligtum des Märtyrers Polyeuktos ihre bisherigen Werke weit überstrahlte. Demgemäß
stellt sie ihr Bildnis, dem leider individuelle Züge fehlen, als eine stattliche Frau in reiferen Jahren
mit noch vollem Antlitz und reichem dunklen Haare dar, nicht als senex, was Iuliana in den ersten
Jahren Justinians war (oben, S. 109 mit Anm. 7).

Welche Bestimmung die Handschrift, die auf den «Wunsch», d.h. auf Bestellung, und jeden-
falls auch auf Kosten Iulianas angefertigt wurde, ursprünglich hatte, darüber überliefert das Widmungs-
bild nichts. Doch ist kaum zu bezweifeln, daß ein so kostbares, mit fürstlicher Pracht ausgestattetes
Exemplar nicht einem alltäglichen praktischen Bedürfnisse — etwa in einem von Iuliana gestifteten
Krankenhause 1 — dienen sollte. Vielmehr war das Prunkstück wohl bestimmt, in ihrem eigenen
Besitze und Gebrauche zu stehen. Daß vornehme und reiche Frauen dergleichen schön geschmückte
Handschriften als Modesache für sich in Anspruch nahmen, bestätigt der Tadel des heil. Hierony-
mus.2 Zu der Bücherliebhaberei, die auch durch das Buch in der Hand der Phronesis angedeutet zu sein
scheint, mag in diesem Falle ein gegenständliches Interesse an dem Kräuterbuche des Dioskorides hinzu-
gekommen sein. Wie soviele vornehme Damen jener Zeit, wird Iuliana ebenfalls Neigung für medi-
zinischen Dilettantismus besessen haben, welche sie als Herrin eines ausgedehnten Haushaltes mit zahl-
reichem Gesinde 3 auch praktisch betätigen konnte.

1 Daran denken Lambecius, p. 590 (ed. Kollar, c. 252), und Gardthausen, a. a. O., S. 151. Im Jahre 1406, in dem die
Handschrift restauriert wurde jtpotpojtrj xai i^dow tou Tipmurarou h povot^ot; xupou, NaQavar,),, voaoxo'(j.o'j TrjvixauTa t'jyyavovTo; h
m> ^Eväivi tou KpäXrj, dürfte sie wohl einem solchen Zwecke gedient haben.

2 F. X. Kraus, Geschichte der christl. Kunst I, S. 447.

3 Oben, S. 109 mit Anm. 7.

Fig. 6. Altchristliches Glasbild
(nach Garrucci, Storia dell'arte crist. III, tav. 195, n. 11).
 
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