Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Suida, Wilhelm: Die Spätwerke des Bartolommeo Suardi, genannt Bramantino
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0304
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE SPÄTWERKE DES BARTOLOMMEO SUARDI,
GENANNT BRAMANT1NO

Von

Wilhelm Suida.



ie lombardischen Maler vom Beginne des XVI. Jahrhunderts zeigen ihre Bestrebun-
gen nach sehr verschiedenen Richtungen verzweigt. Es ist noch nie versucht
worden, das Gesamtbild der Schule um diese Zeit richtig zu zeichnen. Auch stellen
sich einem solchen Vorhaben große Schwierigkeiten entgegen. Die gewaltige Er-
scheinung Leonardos da Vinci überschattet das ganze Gefilde, auf dem kleinere
Geister ihre Kräfte übten. Aber wer wollte den Riesen bis in alle Details richtig
erkennen, wenn er nicht die Arbeit anderer sorgsam von der seinigen trennt? In
einer Studie, die, wie ich hoffe, bald folgen soll, will ich versuchen, auf breiterer Basis und mit ausführ-
lichen Begründungen von der Schule Leonardos in Mailand zu sprechen. Wenn ich einiges hier vorweg
nehme, weil es zur Zeichnung des Hintergrundes nötig ist, von dem die Gestalt unseres Bartolommeo
Suardi sich abheben soll, so kann es nur mit dem Hinweise geschehen, daß einzelne Behauptungen, die
hier etwas unvermittelt ihre Stelle finden müssen, ihre ausführliche Begründung baldigst erhalten sollen.

Leonardo stand in der Zeit des Lodovico Moro ziemlich vereinsamt auf der Höhe seiner Kunst.
Noch mehrere Jahre nach der Entstehung der «Madonna in der Felsgrotte» schufen die tonangebenden
Maler der Lombardei Poliptycha in altertümlichem Stile, Foppa seinen Altar in Savona, Zenale und
Butinone ihren Altar in Treviglio. Erst in den neunziger Jahren des XV. Jahrhunderts beobachten wir,
daß den lombardischen Künstlern allmählich die Augen aufgehen für Leonardos Werke. Das wunderbar
geheimnisvolle Lächeln seiner Gestalten, die Anmut ihres Gebarens versuchen sie nun nachzuahmen;
keiner von allen ahnte, aus welch hohen Welten seelischen Erlebens und metaphysischer Erkenntnis dies
Lächeln bei Leonardo kam. Die überirdische Heiterkeit des Genius, in dessen Busen sich das Weltall
spiegelt und dessen Seele in erleuchteten Momenten zur vollen Harmonie durchdrang, erschien nur als
äußerliche Lieblichkeit, die in etwas plump-unbeholfener Weise nachgeahmt ward, da die schweren,
kraftvoll derben Typen der älteren lombardischen Kunst ihr so sehr widersprachen. Solche Beobach-
tungen machen wir an der Beschneidung Christi des Monogrammisten XL. im Louvre von 1491, an
der Pala Sforzesca von 1496, an dem Altare des heil. Nikolaus von Tolentino von Civerchio in Brescia
(von 1495), an den Miniaturen des Fra Antonio da Monza. Von Leonardos Kompositionsweise und
Lichtkunst haben die genannten Künstler nichts aufzufassen vermocht.

In etwas nähere Beziehung zu Leonardo trat schon Ambrogio Preda. Er war zur Zeit der An-
kunft des großen Florentiners schon fertiger Maler. Um 1497 etwa kopiert er unter Leonardos Aufsicht die
Madonna in der Felsgrotte, sonst ist er uns insbesondere durch Porträte bekannt.1 Aus diesen sicheren
Werken geht hervor, daß auch die Elemente seiner Kunst in älterer lombardischer Schulung liegen und

1 Der Identifizierung des Meisters der Pala Sforzesca mit Ambrogio Preda, die Seydlitz cAmbrogio Preda und Leo-
nardo da Vinci» im Jahrbuch der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 1906 versuchte, vermag ich nicht bei-
zustimmen, wie ich an anderer Stelle ausführlicher begründen werde. Die von Seydlitz ebenfalls dem Preda zugeschriebenen
Bildnisse des Musikers in der Ambrosiana und des Mädchens in Krakau halte ich für Werke Leonardos.

xxvi. 39
 
Annotationen