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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Fälschungen auf Dürers Namen aus der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0024
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Fälschungen auf Dürers Namen aus der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms.

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ursprünglich zu sein; nach den erhaltenen Resten einer Lasur zu schließen, dürfte der Mantel auch hier
früher rosafarben gewesen sein. Das Prager Bild soll früher das Monogramm Dürers und die Jahres-
zahl 1508 getragen haben; beides ist noch auf dem englischen Exemplar erhalten. Was nun die Ent-
scheidung der Frage anlangt, welche von beiden Wiederholungen das Original sei, so ist das Prager
Exemplar von keinem der neueren Forscher, die sich mit der Sache beschäftigt haben, für ein Original
gehalten worden. Aber auch das Bild bei Sir Cook (Fig. 16) scheint uns keineswegs unverdächtig: auf-
fallend ist besonders die Farbengebung mit den kalten, kreidigen Fleischtönen und dem speckigen
Rosa des Mantels, auffallend besonders deshalb, weil das Bild in der Tat sehr gut erhalten ist. Deshalb
möchten wir mit Sicherheit annehmen, daß keines von beiden Bildern Anspruch darauf machen kann,
als Original von Dürers Hand zu gelten. Schwie-
riger ist die Antwort auf die Frage, ob nicht viel-
leicht beiden Bildern ein Ölbild von Dürer zu-
grunde liegen könnte. Selbst diese Annahme scheint
uns nicht unbedenklich. Das Motiv der säugenden
Maria erinnert auffallend an die eben besprochene
Grazer Madonna und ihr Nürnberger Vorbild und
ebenso auch an eine berüchtigte Fälschung, die
wohl am Hofe Kaiser Rudolfs II. entstanden ist, an
den Kupferstich «Die Madonna am Hoftor»,1 der,
wie wohl alle diese Nachahmungen, im Motive auf
das herrliche Titelblatt der Holzschnittfolge des
Marienlebens zurückgeht. Auch die Komposition
ist im ganzen arm zu nennen und eigentlich nur
mit nebensächlichen Dingen ausgefüllt. Welchen
Raum nimmt z.B. der Mantel Mariä ein! Das ganze
Bild ist mit dieser Draperiestudie erfüllt. Auch das
übrige Beiwerk zeugt nicht von Dürers Verständnis
für solche Dinge, die Architektur des Torbogens ist,
verglichen mit den auf Dürers Bildern und Holz-
schnitten häufig wiedergegebenen Bauten, einfach
sinnlos, die Pflanzen nehmen auf dem Bilde einen
ungebührlich großen Raum in Anspruch. Geradezu
abscheulich und Dürers völlig unwürdig ist die win-
zig kleine Gestalt Gottvaters, die auf beiden Wiederholungen über dem Haupte Mariens zu sehen ist.2
Solche Dinge lassen uns die Annahme bedenklich erscheinen, in diesen beiden Bildern getreue Kopien
nach einem verlorenen Original Dürers zu erkennen. Möglich, daß eine flüchtige Handzeichnung Dürers3
zugrunde liegt, nach der der Fälscher, den wir uns wohl ebenfalls am rudolfinischen Hofe zu denken
haben, die beiden Exemplare in Prag und Richmond hergestellt hat.4

Wir kehren nun nach diesem allzu langen Exkurse wieder in die Galerie des Erzherzogs Leopold
Wilhelm zurück. Hier finden wir ferner unter Dürers Namen zwei Darstellungen des Ecce homo
(Mahlerey von teütsch vnndt niederländischen Mahleren Nr. 805 und 565), die eine, als Kopie nach
Dürer bezeichnet, mit zwei Juden, die andere, als Original Dürers, mit drei Juden, die den Heiland ver-

Fig. 17. Ecce homo.
Prag, gräflich Nostitzische Galerie.

1 Vergl. Thausing, Dürer, 2. Aufl., 1884, II, S. 80.

2 Die Reproduktionen lassen diese Einzelheit nicht erkennen. Die Angabe des Textes der Publikation über die Aus-
stellung deutscher Kunst im Burlington Club (a. a. O., p. 95), daß die Figur Gottvaters auf dem Prager Exemplar fehle,
ist irrig.

3 Diese vermögen wir aber nicht mit Sir Martin Conway (a. a. O., p. 95) in der flüchtigen Federzeichnung des Dresd-
ner Skizzenbuches (Ausgabe von R. Bruck, 1905, Taf. 80) wiederzuerkennen.

4 Max J. Friedländers Urteil über beide Bilder (Repertorium für Kunstwissenschaft XXIX, 1906, S. 586) stimmt im
Wesentlichen mit dem unsrigen überein.

XXVIII. 3
 
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