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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Fälschungen auf Dürers Namen aus der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0027
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20

Gustav Glück.

G.L. Holford in London (Fig. 19) sahen. Hier ist die Komposition der Maria mit dem Kinde genau
dieselbe, auch in den Farben; der einzige Unterschied ist, daß das Christuskind in einen feinen
Schleier gehüllt erscheint. Der Hintergrund, der auf dem Wiener Exemplar schwarz war, ist hier aber
ganz anders: wir sehen links den heil. Josef aus einer Schriftrolle lesend, dahinter eine hübsche Land-
schaft, rechts eine Säule und endlich auf dem Tische außer dem Messer und der halben Zitrone noch

andere Dinge: ein Glas mit Deckel,
ein weiteres Spältchen einer Zitrone,
ein gesticktes Handtuch und drei
Knäuel mit Wolle. Durch dieses Bild,
von dem es noch eine dritte, etwas
reichere Wiederholung gibt, die aus
der Wiener Sammlung Klinkosch1 in
Pariser Privatbesitz gekommen ist,
wurde uns klar, welche Bewandtnis
es mit dem Gemälde der kaiserlichen
Galerie hat. Der ganze Hintergrund
war barbarisch mit schwarzer Farbe
übermalt worden und auf die Uber-
malung hat der Fälscher das Zeichen
Dürers und die Jahreszahl gesetzt.
Unter der dicken schwarzen Farbe
glaubten wir die Umrisse der Gestalt
des heil. Josef wahrnehmen zu kön-
nen. Nach Genehmigung der Sach-
verständigenkommission für Bilder-
restaurierung bei der kaiserlichen Ge-
mäldegalerie wurde nun in der Tat
von dem leider seither verstorbenen
verdienstvollen Restaurator Franz
Woska in vorsichtigster und gewis-
senhaftester Weise die Abnahme der
schwarzen Farbe bewerkstelligt. Bald
hatten wir die Freude, unter der
Übermalung die alten, schönen, echt
Fig. 19. Meister des Todes Maria, heil. Familie. altniederländischen Farben und be-

London, bei Lieut.-Col. Holford. sonders den Kopf des heil. Josef

durchschimmern zu sehen. Die Ab-
bildung Fig. 20 zeigt das Bild während der Arbeit des Herrn Woska. Die Figur des heil. Josef ist schon
sichtbar und wird nur durch ein paar Flecken der schwarzen Farbe entstellt. Links kommt das Glas
zum Vorschein, weiter rechts unten und oben rechts sind Putzversuche angestellt worden. Gegen-
wärtig ist die schwarze Übermalung schon gänzlich abgenommen und die Restaurierung, die nur ganz
wenige Ergänzungen notwendig machte, vollendet worden (Taf. VI). Es zeigt sich, daß das Exemplar
der kaiserlichen Galerie nahezu ganz genau mit dem der Holfordschen Sammlung in London über-
einstimmt. Nur die Landschaft ist auf dem Wiener Exemplar ganz anders, und zwar kann man sagen,
daß sie sowohl in der Komposition als auch in den Farben die des Londoner Exemplars übertrifft;
es ist eine der schönsten Landschaften, die wir überhaupt von diesem Meister haben. Leider war offen-
bar schon damals, als der Fälscher das Wiener Bild in die Hand bekam, der Rand beschädigt, so daß

1 Radiert von A. Kaiser in dem Versteigerungskatalog dieser Sammlung, Wien 1889.
 
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