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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0045
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Breu-Studien.

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gewisse Breite der Anlage voraus, läßt jedoch die dadurch geforderte Erweiterung bei der einzig mög-
lichen Anordnung (oben die Verkündigung und Geburt, unten die Anbetung und Aufopferung) auf den
vier Feldern der Innenseiten eines zweiten, äußeren Flügelpaares nicht leicht zu — eine Schwierigkeit,
welche die Annahme von sechzehn Feldern bei geöffnetem äußeren Flügelpaare von selbst verschwin-
den machte. Ein solches muß ehedem jedenfalls vorhanden gewesen sein. Denn nur von einem zweiten
Flügelpaare kann das Gemälde mit den Heiligen Christoph und Katharina stammen, das die Sekundär-
galerie des Wiener Hofmuseums bewahrt (Taf. X) und dessen Zugehörigkeit zu den Innsbrucker Altar-
fragmenten sicher erscheint, wenngleich seine Ausführung etwas sorgfältiger ist als die der vier Stücke
aus dem Leben Mariae.

Die Tannenholztafel, deren Bildfläche in ihren oberen Teilen stark gelitten hat und deren Rück-
seite abgehobelt ist, ist auf die Maße 64 x 54 cm verschnitten. Christoph in rotem, gelbgefütterten
Kittel und einem moosgrünen Mantel trägt das blaugekleidete Jesuskind auf der linken Schulter und
umfaßt mit der rechten Hand einen Birkenstamm. Die heil. Katharina in einem dunkelgelben Kleide mit
grünen Armein hält in der Rechten das Schwert, in der Linken die Palme. Das zerbrochene Rad liegt
zu ihren Füßen. Die auch an der unteren Schmalseite angebrachten Renaissanceornamente weisen darauf
hin, daß die Tafel, abgesehen von ihrem Inhalte, einem anderen Zyklus angehört als die vier Innsbrucker
Fragmente. Der Gesichtspunkt der Wiener Tafel ist in die linke Randlinie der Darstellung verlegt.
Darnach hatten möglicherweise die beiden Heiligen rechts von der Mittellinie des geschlossenen Altares
ihren Platz.

Der Typus der heil. Katharina ist derselbe wie der der Madonna auf den Innsbrucker Fragmenten
mit der Geburt Christi und der Anbetung der Könige und erinnert an die länglichen Frauenantlitze mit den
schmalen, gebogenen Nasen, die wir am Herzogenburger Altare vorgefunden hatten. Eine gewisse Mil-
derung der scharfen Züge ist jedoch bereits eingetreten. Der freundliche Typus des Verkündigungsengels
mit der stumpf endenden Nase deckt sich im wesentlichen mit dem der Berliner Madonna von 1512.
Zum letztenmal konstatierten wir ihn an der Kaufmannschen Madonna von 1521. Der ihn ablösende
Typus der Wiener Madonna von 1523 mit der breiten fleischigen Nase kündigt sich auf dem Innsbrucker
Altare noch in keiner Weise an. Auch die Männerköpfe daselbst sind von der Klobigkeit, wie sie etwa die
der kleinen Orgelflügel zeigen, noch frei. Für den heil. Christoph bediente sich Breu desselben Modelles,
dessen Züge Holbein 1508 mit leichten Veränderungen zu dem Gottvater des Schwarzsehen Votivbildes
verwendet, 1515 am linken Rande der Münchener Sebastianstafel angebracht und außerdem in einer
Silberstiftzeichnung des Berliner Kabinettes (Tafel 34 der Woltmannschen Publikation) festgehalten hatte.
Auf die Frühzeit Breus verweist ferner die schmale Form des Ohres des anbetenden Königs (vgl. das
Ohr der Madonna von 1512); später bevorzugt der Meister runde Ohrmuscheln. Die Anklänge an
spezifisch Holbeinsche Formgebung, die sich noch an den kleinen Orgelflügeln bemerkbar machen
(z. B. in dem Jünglinge mit dem Buche an der Außenseite des linken Flügels oder dem barhäuptigen
Alten an der Innenseite des rechten: der Mann am Rande rechts auf der Darstellung beim Konsul Weber
in Hamburg), äußert sich auf den Innsbrucker Tafeln besonders frisch. Man vergleiche etwa die Madonna
auf der Darbringung mit der Maria der Heimsuchung des Kaisheimer Altares in München, den Hirten
links auf der Geburt Christi mit dem heil. Petrus auf der Gefangennahme Christi der Donaueschinger
Galerie, den Hohenpriester auf der Aufopferung mit dem Hohenpriester auf der Aufopferung des Kais-
heimer Altares.1

Auch kompositionelle Bezüge lassen sich zwischen unserem Zyklus und Holbeinschen Bildern er-
kennen: die Anordnung der Figuren auf der Geburt Christi und der Darbringung Christi setzt die
Bekanntschaft ihres Urhebers mit den inhaltlich entsprechenden Tafeln des Kaisheimer Altares von 1502
voraus. Demzufolge machen die Kompositionen des Innsbrucker Altares einen altertümlichen Eindruck

1 Für die Möglichkeit eines näheren Verhältnisses Breus zum allen Holbein spricht die neuerdings von C. Glaser in
seinem H. Holbein d. Ä., S. 26, mitgeteilte Inschrift auf dem gegen Ende des XV. Jahrhunderts entstandenen Marientode im
Besitze eines Pariser Kunsthändlers, die neben dem Namen des Meisters den eines sonst unbekannten Wolfgang Breu nennt.
 
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