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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Diez, Ernst: Der Hofmaler Bartholomäus Spranger
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0101
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94

Ernst Diez.

Van Mander mußte daher über die Jugend, die Wanderjahre, den römischen Aufenthalt und die
Tätigkeit Sprangers in Wien teils durch mündliche Berichte des Künstlers, teils durch gemeinsames
Leben gut unterrichtet sein. Da uns bis zum Wiener Aufenthalt archivalische Nachrichten, von den
Liggeren abgesehen, fehlen, ist die historische Forschung bis zum Jahre 1575 auf den Bericht van Man-
ders allein gewiesen. Dagegen läßt sich van Manders Erzählung vom weiteren Lebenslaufe des Malers
zu Prag in Diensten Kaiser Rudolfs II. mit Hilfe des vorhandenen Urkundenmaterials vielfach ergänzen.
Van Mander weiß auch über diese Schaffensperiode Sprangers vieles zu berichten, obwohl er selbst nie
in Prag gewesen zu sein scheint; er hätte sonst von einem Aufenthalt in dieser Stadt sicher einmal ein
Wort fallen lassen. Es fällt auf, daß van Mander eine Reihe von Werken, die Spranger für die Prager
Öffentlichkeit gemalt hat, aufzählt, dagegen kein einziges für den Kaiser gemaltes Bild erwähnt. Er
dürfte sich eine Liste dieser öffentlich in Kirchen aufgestellten Werke von einem der vielen in Prag
lebenden niederländischen Künstler verschafft haben und war im übrigen wohl auf den Bericht Sprangers
selbst angewiesen, als er ihn in Haarlem zum letzten Male sah.

Die folgende biographische Skizze beschränkt sich darauf, die van Mandersche Lebensbeschreibung
kritisch zu beleuchten und, soweit uns Urkunden zur Verfügung stehen, zu ergänzen, endlich über das
Jahr 1604 hinaus, wo van Mander abbricht, bis 1611, dem Todesjahr Sprangers, weiterzuführen.

Bartholomäus Spranger wurde als dritter Sohn des Kaufmannes Joachim Spranger und dessen
Ehefrau Anna Roelandts am 21. März 1546 in Antwerpen geboren und von seinem Vater, der bald
einsah, daß dieser sein dritter Sohn sich für den Kaufmannsstand nicht eigne, dagegen großes Zeichen-
talent besitze, zu Jan Mandyn in die Lehre gegeben. Die Liggeren nennen ihn unter dem Jahre 1557
als Lehrjungen Mandyns.1 Nach achtzehnmonatlicher Lehrzeit starb Mandyn und Spranger kam zu
Frans Mostart und, als dieser nach vierzehn Tagen gleichfalls starb, zu Cornelis van Dalem in die
Lehre.2 Van Dalem war ein Landschaftsmaler, dessen Tüchtigkeit im Malen von Felspartien van Man-
der lobend hervorhebt,3 dessen Künstlerschaft jedoch bisher durch kein erhaltenes beglaubigtes Werk
beleuchtet erscheint. Nach van Mander war er mehr vornehmer Dilettant als Künstler. Spranger blieb
vier Jahre in seinen Diensten, interessierte sich jedoch während dieser Zeit mehr für die Bibliothek
seines Meisters als für die Malerei. Er verließ van Dalem im November 1564 und beschloß, mit Jakob
Wickram, einem deutschen Maler aus Speier und Schüler Hans Bocksbergers,4 nach Paris zu gehen.
Die Abreise wurde für den i.März 1565 festgesetzt und Spranger brachte die Zeit bis dahin mit Ko-
pieren nach Kupferstichen von Parmigianino und Floris zu. Auch versuchte er sich mit eigenen Kom-
positionen, ohne jedoch noch malen zu können. In Paris angekommen, begab er sich zu dem Miniaturen-
maler und Stecher Marc Duval,5 bei dem er sechs Wochen lang blieb und die Zeichnungen seines Mei-
sters kopierte, gleichzeitig aber seiner Lust zu größeren Kompositionen die Zügel schießen ließ und die
Wände des Ateliers seines Meisters mit Kohlenzeichnungen beschmierte, eine Leidenschaft, die seiner
Lehrzeit ein rasches Ende bereitete. Als Spranger bei einem anderen Meister, dessen Namen van Man-
der nicht kennt, mit einigen Kompositionen Lob erntete, glaubte er genug Meisterschaft zu besitzen, um
auf eigene Faust arbeiten zu können, und machte sich auf die Wanderschaft nach Italien. Er verlebte
in Mailand acht Monate in bitterster Not und ging schließlich nach Parma, wo er bei Bernardino Gatti,
genannt il Sojaro, als Gehilfe eintrat. Sojaro arbeitete seit 1560 am Freskenschmucke der Kuppel in
der Kirche Madonna della Steccata, die bereits mit Bildern und Dekorationen Parmigianinos, Mazzolas
und Anselmis geschmückt war. Nach einem dreimonatlichen Aufenthalt bei Sojaro kam es jedoch zu

1 Ausgabe von Rombouts und van Lerius I, 205.

3 Die Liggeren nennen diesen Maler im Jahre 1545 a's Schüler Jan Adriaensens und 1556 als Freimeister (I, 154
und 197).

3 Van Mander I, 65.

4 Hans Bocksberger war um 1543 in der Landshuter Residenz als Freskomaler beschäftigt; vgl. Janitschek, Geschichte
der deutschen Malerei 537 f., und Bassermann-Jordan, Die dekorative Malerei der Renaissance am bayerischen Hofe, 3g f.

5 R. Dumesnil (Le peintre-graveur francais V, 56f.) berichtet von Duval, der den Beinamen Le Sourd führte, daß er
1581 in Paris gestorben sei. Er kennt von ihm zehn Stiche (historische Szenen, Porträte und Grotesken) und bezeichnet
ihn als einen «dessinateur dans le grand goüt et tres habile buriniste».
 
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