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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Diez, Ernst: Der Hofmaler Bartholomäus Spranger
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0112
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Der Hofmaler Bartholomäus Spranger.

essierte, daß ihn dieser sogleich bei sich behalten wollte. Das Bild mag Spranger den Auftrag für Capra-
rola verschafft haben. Es erscheint mir gewagt, einige der mehr als vierzig kleinen landschaftlichen
Veduten in Caprarola mittels stilistischer Vergleiche für Spranger zu beanspruchen. Eine auch nur
andeutende Ortsbestimmung seiner Arbeiten im Schlosse ist uns nicht überliefert. Man muß sich ver-
gegenwärtigen, daß die gesamte malerische Ausschmückung der Säle das Werk einer Anzahl geschickter
und pinselfertiger Gesellen war, die von Taddeo Zucchero für diese Arbeit aufgenommen wurden
und genau nach seinen Skizzen und Kartons arbeiten mußten.1 Taddeo hatte sich dem Kardinal
gegenüber nur verpflichtet, zwei bis drei Monate des Jahres selbst in Caprarola zu arbeiten. Für alle
war ein dekorativer Durchschnittsstil maßgebend, der traditionell geworden war und individuelle Eigen-
heiten abschliff. Taddeo war übrigens im September 1566 gestorben2 und die Fortführung seiner sämt-
lichen unvollendeten Arbeiten wurde seinem Bruder Federigo übertragen, unter dessen Oberleitung
demnach Spranger in Caprarola beschäftigt war.

Nach kurzer Arbeitszeit im Schlosse der Farnese kehrte Spranger auf Wunsch seines Gönners
nach Rom zurück und wurde dem Papste vorgeführt, der ihn in seinen Dienst nahm und ihm eine
Wohnung im Belvedere anwies. Spranger malte für ihn zunächst ein «Jüngstes Gericht». Dieses Bild
(Fig. 5) schmückte später das Grabmal des Papstes im Kloster del Bosco zwischen Pavia und Alessan-
dria und befindet sich heute in der Galerie zu Turin.3 Es wurde, wie Gazzera4 berichtet, nach dem
Tode des Papstes von seinem Nepoten Kardinal Bonelli nach dem von Pius gegründeten Dominikaner-
kloster Bosco geschickt und über dem Grabe des Papstes aufgestellt.

Das Bild (Fig. 5) verdankt seine sichere Bestimmung einzig und allein der Erwähnung van Man-
ders, der sich die mündliche Tradition im Kloster bestätigend anschließt. Es wäre sonst kaum je als
Arbeit Sprangers erkannt worden, da sein Stil in den geringen Änderungen zu wenig auffallend zutage
tritt. Als Vorbild diente Spranger das Jüngste Gericht des Fra Angelico, das sich jetzt im Kaiser Fried-
richs-Museum in Berlin befindet5 (Fig. 4).

Zweifellos kopierte Spranger die Tafel des Angelico auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes, dem
als eifrigem Zeloten und ehemaligem Großinquisitor die gläubige Art des Malermönchs und seligen
Ordensbruders wohl am meisten zusagte. Ja, die wunderliche Ernennung des erst zweiundzwanzig-
jährigen Künstlers zum päpstlichen Maler erklärt sich wohl nur aus der Absicht des Papstes, einen ge-
fügigen Künstler zu bekommen, der ihm nach seinen Intentionen Bilder anfertigte. Pius V., der der
Kunst seiner Zeit ziemlich fremd gegenüberstand und sich im Gegensatze zu seinem Vorgänger ganz
den kirchlichen und inquisitorischen Geschäften widmete, wandte sich wahrscheinlich an Kardinal Ale-
xander Farnese als bekannten Mäzen mit dem Ersuchen, ihm einen passenden Künstler zu nennen, und
dieser benützte die Gelegenheit, um seinen jüngsten Schützling zu fördern. Darauf spitzt sich die Er-
zählung van Manders zu, die folgendes besagt: «Der Kardinal ließ ihn (Spranger) ganz unerwartet
wieder zurückkommen und führte ihn, als er wieder in Rom eingetroffen war, zu Papst Pius V. Im
päpstlichen Palast angekommen, gingen der Kardinal und Don Giulio (Clovio) zusammen zu Seiner
Heiligkeit und kurz darauf wurde auch Spranger hereingerufen. Er küßte dem Papste die Füße, empfing
den Segen und wurde nach einer kurzen Besprechung über ein Bild, das seine Heiligkeit von ihm ge-
malt haben wrollte, zum päpstlichen Maler ernannt» usw. «Darauf,» fährt van Mander fort, «malte er
auf einer Kupferplatte von sechs Fuß Höhe ein Jüngstes Gericht, ein Bild reich an Einzelzügen, auf
dem man 500 Köpfe zählen konnte und deren Fertigstellung vierzehn Monate beanspruchte.»

1 Vasari-Milanesi VII, 104.

2 Vasari-Milanesi VII, 88 f.

3 Catalogo della regia Pinacoteca di Torino (Torino, Vincenzo Bona, 1899), Nr. 197. In der Beschreibung heißt
es u. a.: «Fu sottratto alla chiesa di Bosco sotto il governo francese ed alla Ristorazione fu consegnato al re di Sardegna.»

4 Lettera di Costanzo Gazzera al conte Giuseppe Franchi (Torino, Stamperia Reale, 1821), p. loof.

Die Kopie Sprangers hat die ursprüngliche Größe der Tafel des Angelico. Diese wurde später in drei Teile zer-
sägt und dann als Triptychon zusammengefügt. Auch die Außenränder sind beschnitten; Größe der Kopie: ri6 X 1-48,
des Originals i'Oi X O'go.
 
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