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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Diez, Ernst: Der Hofmaler Bartholomäus Spranger
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0115
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io8

Ernst Diez.

Die Übereinstimmung zwischen beiden Bildern, dem Original und der Kopie, erstreckt sich viel-
fach bis ins Detail. Geändert ist die Mandorla des thronenden Christus, die Engelgruppe mit den Marter-
instrumenten darunter und die Landschaft. Die Kastengräber sind weggelassen und die Figuren und
Kompartimente des Inferno frei nachgemacht, ohne daß jedoch auf die doktrinären Aufschriften über
den Gruppen der Verdammten verzichtet wurde. Seinem modernen Empfinden gemäß bringt Spranger
durch die Landschaft freieren Raum in das Bild, als es Angelico noch vermocht hatte. Die Landschaft

ist dem miniaturenhaften Stil des
Bildes angepaßt. Links am Rande
steht ein quattrocentistischer Ta-
xusbaum und daneben eine fein
durchgeführte deutsche Eiche.
Dem welligen Gelände entsprießen
Sträucher und vorne zeigt eine
Gräsergruppe botanische Genauig-
keit. Die Darstellungsschwierig-
keiten der optischen Perspektive
des Horizonts sind mittels Nebel-
schwaden, die über der Erde la-
gern, weggetäuscht. Spranger zeigt
in diesem Bilde eine gute Veranla-
gung, kleine, wohldurchgeführte
Bildchen zu malen, womit er sich
in Rom auch tatsächlich seinen
Unterhalt verdiente.1 Er malte
für den Papst u. a. auch auf einer
Kupferplatte von der Größe eines
Bogens Papier einen Garten von
Gethsemane und erhielt den Auf-
trag, die ganze Passion im gleichen
Format auszuführen. Diese Art von
Kunstbetätigung entsprach jedoch
seinem innern Drange nach Aus-
druck nicht.

Van Mander deutet in seiner
Biographie den Zwang an, den der
Papst auf Spranger ausübte, in-
dem er ihn kleine heilige Bilder
malen ließ. Nachdem er von dem
1572 erfolgten Tode Pius V. be-
richtet hat, fährt er fort: «Als nun dieser gewichtige Hinderungsgrund für Spranger in Fortfall ge-
kommen war, erwachte in ihm seine angeborene Neigung, große Sachen zu malen, aufs neue.» Er zählt
drei große Werke auf, die Spranger in Rom ausgeführt hat. Es waren die Figuren der Heiligen
Antonius, Johannes des Täufers und Elisabeth und darüber Maria mit Engeln in der da-
maligen Kirche San Luigi dei Francesi, die bald darauf erneuert und 1589 wieder geweiht wurde;
ferner das Martyrium des heil. Johannes als Hochaltarbild in S. Giovanni in Oleo; endlich die
Wochenstube der heil. Anna als Hochaltarbild für «ein Kirchlein bei der Fontana Trevi». Vom
ersten und dritten Werke, die beide heute nicht mehr existieren, besitzen wir Stiche; und zwar vom

Fig. 9. Kaiser Rudolf II. Titelblatt des Welser Privilegienblattes.
Wels, städtisches Museum.

1 Van Mander II, 147,
 
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