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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Diez, Ernst: Der Hofmaler Bartholomäus Spranger
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0116
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Der Hofmaler Bartholomäus Spranger.

IO9

ersten einen Stich des Crispin de Passe,1 vom dritten einen Stich von Matthias Greuter. Das zweite Werk
(Fig. 6) befindet sich heute in San Giovanni ä Porta Latina, einer Kirche neben San Giovanni in Oleo,
hinter dem Hochaltar. Titi2 und nach ihm Angeli 3 nennen das Bild als ein Werk des Federigo Zucchero,
dessen Name in zweifelhaften Fällen ein beliebtes Auskunftsmittel war. Mit Federigos eigenhändigem
Stile hat das Bild jedoch wenig gemeinsam. Abgesehen von der bestimmten Aussage van Manders stellen
verschiedene äußere Kennzeichen die Richtigkeit der Bestimmung des Bildes als Jugendwerk Sprangers
außer Frage. So fällt die starke Ähnlichkeit der Komposition mit einer Marter des heil. Laurentius in
der Kirche von Sant' Oreste auf, wo Spranger kurz zuvor gearbeitet hatte. Das genannte Bild stammt
aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts. Diese Übereinstimmung beider Bilder kann allerdings auch
auf die ikonographische Tradition, der beide Künstler folgten und die selbst Rubens noch in seiner
Marter des heil. Laurentius auffallend getreu wahrte, zurückgeführt werden.

Ort der Handlung ist ein zeltartiger Raum, der mittels Kulissenwänden und Draperien bühnen-
mäßig zusammengefügt ist. Der Körper des Heiligen gleicht mit seiner starken Drehung und posenhaften
Haltung den landläufigen Heiligenstatuen des späteren Barock. Seine Anatomie widerspricht dem ge-
wohnten Aussehen eines Asketen. Die Anwesenden staunen über das Wunder des dem siedenden Öle heil
entsteigenden Johannes, doch sind die Gebärden ihrer Hände konventionell und schülerhaft. Der zweite
Henkersknecht gießt auf älteren Darstellungen dem Heiligen mit einem Schöpfer siedendes Ol über den
Rücken, während er hier ganz im Sinne des Barock die Gestalt niederzudrücken sucht. Durch die
Rauchwolke, den eindringenden Lichtstrahl und den durch die Draperie geschickt begrenzten Durch-
blick auf das alte Rom versteht es Spranger schon, eine dekorative Bildwirkung zu erzielen. Zumal in
der Gruppe der beiden raumschaffenden Halbfiguren im Vordergrund, die auf zeitgenössischen Bildern
häufig zu sehen sind, ist mehr auf ornamentale Wirkung von Körperausschnitten und Draperie Rück-
sicht genommen als auf die Wirklichkeit. Die Gesichter zeigen bereits die bei Spranger typische Bil-
dung. Sie sind mit wenigen Pinselstrichen gemalt, Augen und Mund mit dunkeln Flecken impres-
sionistisch angedeutet und einige Glanzlichter aufgesetzt. Die Maltechnik läßt noch alles zu wün-
schen übrig.

Der Abstand zwischen dem Weltgericht und dem Martyrium des Johannes ist groß und spricht
deutlich für die phänomenale Anpassungsfähigkeit des Künstlers, wenn auch jenes nur als freie Kopie
beurteilt werden darf. Spranger zeigt, welche Bahn er beschreiten will, und verleugnet diesmal die an-
gestammte niederländische Eigenart, die erst später in Prag wieder mehr zum Vorschein kommt. Trotz der
auffallenden Schwächen bekundet er in dem Bilde ein ungewöhnliches Talent und einen wenn auch ober-
flächlichen Schwung in der Komposition, die alles eher als einförmig und langweilig ist und einen guten
Blick für barock-dekorative Wirkung verrät. Besonders bemerkenswert ist aber das Helldunkel, das er
nicht ohne Erfolg zu erzielen bemüht ist und das gar nicht den Gewohnheiten der römischen Manie-
ristenschule seiner Zeit entspricht. Dieser koloristische Versuch ist wohl die Frucht des Studiums der
Werke Correggios in Parma.

Die Wochenstube der heil. Anna, «ein Bild mit zirka halblebensgroßen Figuren, sehr schön
in der Erfindung und vortrefflich in den verschiedenen Bewegungen der Frauen, die sich mit Maria,
dem neugeborenen Kinde beschäftigen», malte Spranger «für ein Kirchlein bei der Fontana Trevi».4
In S. Maria in Trivio, der kleinen Kirche neben der Fontana Trevi, die van Mander wahrscheinlich
meinte, sowie in anderen nahen Kirchen ist das Bild nicht mehr zu finden. Van Mander bemerkt, daß
diese Darstellung auch gestochen wurde. Der Stich mit der Datierung «Romae 1584» von Matthias
Greuter (Fig. 7) wurde demnach wohl nach diesem Bilde hergestellt. Die Beschreibung van Manders ent-
spricht der Darstellung vollständig. Der einzig mögliche Zweifel bestände in der Frage, ob der Stich nicht
etwa nach einer Zeichnung Sprangers hergestellt ist, was bei den meisten späteren Stichen nach ihm der

1 D. Franken, Oeuvre des Van de Passe, Nr. 86.
- Descrizione delle pitture (Roma 1/63), p. 72.

3 D. Angeli, Le chiese di Roma, p. 189 f.

4 Van Mander II, 147.

XXVIII. 17
 
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