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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Diez, Ernst: Der Hofmaler Bartholomäus Spranger
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0121
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Der Hofmaler Bartholomäus Spranger.

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schlechthin handwerksmäßig nach der Tradition ohne individuelle Charakterisierung gemalt; besonders
den beiden Kinderköpfchen mangelt jede porträtartige Eigentümlichkeit.

In der Galerie des Strahovklosters befindet sich eine zweite Auferstehung Christi von Spran-
ger, ferner eine Transfiguration mit den Bildnissen der Stifterfamilie. Beide Bilder dürften zu Epi-
taphen bestimmt gewesen sein. Dagegen ist das von van Mander erwähnte Epitaph,1 das Spranger für
seinen im Jahre 1588 verstorbenen Schwiegervater Nikolaus Müller malte und das in der unter
Kaiser Josef II. aufgehobenen Matthiaskirche aufgestellt war, verschollen. Es stellte ebenfalls eine Auf-
erstehung Christi dar und war am Fronti-
spiz mit zwei skulpierten Putten des
Adriaen de Vries geschmückt.

Das einzige eigenhändig datierte
Werk Sprangers von seinen für den Kai-
ser gemalten Bildern ist eine kleine soge-
nannte «Allegorie auf die Tugenden
Kaiser Rudolfs II.» in der kaiserlichen
Galerie in Wien (Taf. XVI). Die Kriegs-
göttin Bellona sitzt auf einer Weltkugel
und hält in der Linken eine Lanze, in der
Rechten eine Viktoriastatuette. Um sie
sind versammelt: Pallas in kriegerischer
Rüstung, links neben ihr die klagende
Hungaria, ferner Bacchus, Venus und
Amor, rechts Ceres und der durch den
Eber gekennzeichnete Flußgott der Save,
des türkischen Grenzflusses. Die Gruppe
ist durch die posaunende Fama gekrönt.
Dahinter dehnt sich eine Landschaft
mit Ruine, die in der Ferne von dem
mit Schiffen belebten Meere umspült
wird. Am unteren Bildrande befindet sich
eine Tafel mit folgender Inschrift:

RUDOLPHO • II • CAES ■ AUG
DIVA POTENS CHARITESQVE
TUUM DIADEMATE CINCTUM
IAM CAPUT ESSE VELINT.

Die Inschrift sagt, daß Bellona, die mächtige Göttin, und die Chariten wünschten, das Haupt des Kaisers
wäre schon mit dem Diadem geschmückt. Damit ist wohl auf die Türkenkriege angespielt, die dem
Kaiser große Schwierigkeiten machten und deren erwünschte siegreiche Beendigung das Bildchen sym-
bolisieren soll, das besser «Allegorie auf den Türkenkrieg» betitelt werden müßte.

Das kleine Format läßt die manieristische Art Sprangers nicht sehr stark hervortreten. Sie bekun-
det sich jedoch in jedem Stellungsmotiv der einzelnen Figuren. Die Gestalt der Bellona, die ineinander
verschlungene Gruppe von Bacchus, Venus und Amor sind durchaus ornamental komponiert, des-
gleichen der Flußgott und die posaunende Fama. Und ornamental ist schließlich der Aufbau der gan-
zen Gruppe. Jede einzelne Gestalt verkörpert einen Begriff und der lehrhafte Inhalt wird durch die
Inschrift der Tafel, die bezeichnenderweise als ornamentaler Schmuck in die Darstellung hineingestellt

1 Van Mander II, 160f. Zwei andere unbedeutende Bilder Sprangers in der Strahover Gemäldesammlung, eine heil.
Elisabeth und eine heil. Ursula, ferner eine heil. Barbara in der nahen Georgskirche seien hier noch erwähnt.

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