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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Zimmermann, Heinrich: Zur Ikonographie des Hauses Habsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0159
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ZUR IKONOGRAPHIE DES HAUSES HABSBURG.

Von

Heinrich Zimmermann.
IL Angebliche und wirkliche Bildnisse des Don Carlos.

s hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man heutzutage noch viele Worte darüber
verlieren, daß das Idealbild des Don Carlos, das durch Schillers Meisterdrama
zum Gemeingut aller Gebildeten geworden ist, der historischen Wahrheit in kei-
ner Weise entspricht. Den Nachweis dafür führte, soviel ich sehe, zuerst kein
Geringerer als Leopold Ranke, der, kurz vorher zum außerordentlichen Professor
in Berlin ernannt, als Frucht eines längeren Studienaufenthaltes, den er während
seiner historischen Wanderjahre von 1827—1828 in Wien nahm,1 im 46. Bande
der Jahrbücher der Literatur einen Aufsatz «Zur Geschichte des Don Carlos» 2 veröffentlicht hat. Mit
einer noch heute kaum zu übertreffenden historischen Kritik zunächst der erzählenden Quellen führt er
darin aus, wie sich bald nach dem Tode des Prinzen zwei bestimmte Richtungen der geschichtlichen
Berichterstattung geltend machen. Deren erste, die italienisch-spanische, vertreten durch Gianbattista
Adriani, Campana, Catena, Luis Cabrera u. a., ist geneigt, die ganze Schuld an der Katastrophe
dem Don Carlos zu geben, während die andere, die niederländisch-französische, fußend auf der bekann-
ten Apologie Wilhelms von Oranien vom Jahre 1581, Philipp II. eines geradezu verbrecherischen
Vorgehens gegen Sohn und Gattin beschuldigt, bei dem er sich der Mithilfe der spanischen Inquisition
bedient habe. Bis zum Ende des XVI. Jahrhunderts schien es, als sollte die erste die Oberhand ge-
winnen. Allein mit dem wachsenden Gegensatz Frankreichs und Spaniens zur Zeit Heinrichs IV. und
dem gleichzeitigen Erwachen eines nationalfranzösischen Geistes neigt sich die Wagschale zugunsten
der Philipp II. feindlichen Richtung und schließlich geben die vielgelesenen Memoiren Brantomes
und Saint Reals für diese den Ausschlag. Unmittelbar aus Saint Real aber, dessen Stil selbst in den
Zeiten Ludwigs XIV. als «außerordentlich und musterhaft erschien», hat Friedrich Schiller geschöpft.
Wie mächtig und schier unbezwinglich diese Richtung war, zeigt nichts besser als die Tatsache, daß
selbst Antonio Llorente, der Geschichtsschreiber der spanischen Inquisition, sich nicht scheute, ein-
zelne Angaben indirekt aus der der Gegenpartei angehörigen Histoire de France Matthieus ungeprüft
in sein Werk hinüberzunehmen, wenn er auch andrerseits das Märchen von dem Liebesverhältnis des
Don Carlos mit seiner Stiefmutter Elisabeth widerlegte und auf Grund einer genauen Durchforschung
der Inquisitionsakten versichern konnte, daß seitens des heiligen Offiziums nie ein Prozeß gegen den
Prinzen anhängig war.

Da setzt nun Ranke ein und zeigt an der Hand zeitgenössischer Berichte, soweit sie ihm zugäng-
lich waren, daß Don Carlos weder verurteilt noch viel weniger vergiftet wurde, sondern eines natürlichen
Todes starb und daß Philipps Verhältnis zu seiner französischen Gemahlin bis zu ihrem Tode das denk-
bar beste und vertrauteste war. Andrerseits stellt Ranke fest, daß der Prinz zwar seinen Vater haßte,

1 Allgemeine Deutsche Biographie XXVII (1888), S. 251 ff.

2 Jahrbücher der Literatur XL VI (1829), S. 227—266; fast unverändert wieder abgedruckt in Leopold von Rankes
sämtlichen Werken XL/XLI (1877), S. 451—492.

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