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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Loga, Valerian von: Las Meninas: Ein Beitrag zur Ikonographie des Hauses Habsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0178
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Valerian von Loga.

nand IV. einundzwanzigjährig gestorben war, trat der sieben Jahre jüngere Erzherzog Leopold in alle
Rechte des Bruders. Mit mehr Nachdruck forderte Frankreich die Prinzessin als Friedenspreis. Takt-
losigkeiten und Indiskretionen des Gesandten brachten es dazu, daß Philipp IV. der Tochter Hand in
aller Form seinem Schwiegervater für den Sohn und Erben antrug. Der junge Leopold nahm die Ver-
lobungsaussichten mit solchem Enthusiasmus auf, daß er, alle Rücksichten auf die bevorstehende Kaiser-
wahl zurückdrängend, persönlich nach Spanien zu reisen sich erbot. In Wien und Madrid siegten die
Bedenken, zumal Ferdinand III. bald darauf gestorben war. Nach erfolgter Wahl drängt der junge
Kaiser, die Vermählungsverhandlungen zum Abschluß zu bringen.

Aber am spanischen Hofe hatte sich unterdessen manches geändert. Durch die Geburt eines
Prinzen war die Thronfolge gesichert, die französische, das heißt die Friedenspartei hatte Oberwasser
bekommen. Während der von allen Seiten bedrängte Philipp seinen kaiserlichen Neffen, Schwager und
zukünftigen Schwiegersohn, von dem er mit Rücksicht auf die Verpflichtungen, die jener in der Wahl-
kapitulation auf sich genommen hatte, eine tatkräftige Unterstützung nicht hoffen konnte, mit Versiche-
rungen von Liebe und Freundschaft hinhält, bot er Maria Teresas Hand seiner Schwester, der Königin-
Mutter von Frankreich, als «medium pro concilianda pace», an. Alonso Antonio Pimentel, wohl derselbe
Graf von Benavente, den Velazquez porträtiert hat, trat zu Lyon mit Mazarin in jene Verhandlun-
gen, die zum Abschluß des pyrenäischen Friedens führten. Auf der Fasaneninsel in dem Grenzflüß-
chen Bidasoa wurde am 7. Juni 1660 Maria Teresa an Frankreich ausgeliefert. Charles Le Brun hatte
den denkwürdigen Vorgang in den Gobelins du roi verewigt.1 Von Norden waren die Herrscher Frank-
reichs herbeigeeilt, Philipp hatte mit großem Gefolge der Tochter das Geleite gegeben.

Noch ein anderes großes Opfer kostete ihm dieser Schritt: den Verlust des köstlichsten Edelsteins
in seiner Krone. Es war damals, als der Aposentador mayor del palacio bei den aufreibenden Funk-
tionen seines unwürdigen Amtes den Keim zu der tödlichen Krankheit nach Hause brachte.

Um die große Verstimmung in Wien zu beseitigen, versprach Philipp, da er «wider Willen und
aus der pur lauteren Not dem gesamten Haus zum Besten» in die französische Heirat gewilligt habe,
seinem Neffen Leopold «dero änderte Tochter, die Infantin Margarita, wiewohl sie noch klein wäre». Man
fand sich sehr rasch in die veränderte Lage. «Der Kaiser hat die Gründe seines Vorgehens mit rückhalt-
loser Offenheit dem Gesandten in Madrid kundgetan. Der Wunsch, die Verbindung der beiden Länder
des Hauses Habsburg zu stärken, die Nachfolge im spanischen Reiche, im Falle des Aussterbens der herr-
schenden Dynastie, seinem Geschlechte zu sichern, der österreichischen Partei am spanischen Hofe gleich
jetzt das Übergewicht zu verschaffen, sowie die Furcht, daß im Weigerungsfalle Margareta Theresia,
wenn ihrer älteren Schwester ein Unfall zustoßen sollte, gleichfalls dem feindlichen Hause vermählt
werden könnte, haben gleichzeitig zur raschen Entschließung Leopolds beigetragen.»2 Am 6. April 1660,
dem Geburtstag Philipps IV., erfolgte das feierliche Verlöbnis. Da die Infantin das neunte Lebensjahr
noch nicht vollendet hatte, war alles Drängen von Wien aus auf Abschluß der Ehe vergeblich. Leo-
pold war elf Jahre älter als die Braut, stand also bei seiner Verlobung im zwanzigsten Lebensjahre.

Obwohl König Philipp, dessen Gesundheit schon recht oft zu ernsten Besorgnissen Anlaß gab,
ebenso wie die Königin mit ihren Herzen die österreichische Heirat wünschten, gab es am spanischen
Hofe eine mächtige Partei, die sie aus nationaler Gesinnung zu hintertreiben suchte. Bei des Kronprinzen
sehr schwächlicher Konstitution und da die ältere Schwester bei ihrer französischen Verheiratung auf
ihre Erbansprüche verzichtet hatte, mußte man Margareta als die zukünftige Trägerin der Krone be-
trachten. Man sah zahllose Gefahren und die Verwicklungen unendlicher Kriege voraus, wenn sie
selbst außer Landes ging, und wünschte ihr einen Gemahl, der, mit der Großmachtspolitik die Nieder-
lande und Mailand aufgebend, die Zügel der Regierung und inneren Verwaltung in die Hand nehmen
sollte: «un hidalgo de la montana», hatte Peneranda, der leitende Minister, gesagt.

1 Gestochen von E. Jeaurat 1728.

2 Pribram, Die Heirat Kaiser Leopolds I. mit Margaretha Theresia von Spanien: Archiv für österreichische Geschichte,
LXXVII. Band (1891), S. 339, 340.
 
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