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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Pier Jacopo Alari-Bonacolsi, genannt Antico
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0208
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202

Hermann Julius Hermann.

Figuren in ihrer klassizierenden Schönheit eine unleugbare Ähnlichkeit mit Skulpturen im Empirestil
zeigen. Bezeichnenderweise haben auch einige Statuetten Anticos lange als französische Arbeiten des
Empire gegolten. Diese klassizierende Tendenz der oberitalienischen Plastik am Ende des XV. und zu
Beginn des XVI. Jahrhunderts würde uns verständlicher werden, wenn die antiken Vorbilder im einzelnen
nachgewiesen wären. Erst dadurch könnten wir das Verhältnis der oberitalienischen Quattroccnto-
plastik zur Antike genauer beurteilen. Für dieses Problem sind gerade die Werke Anticos schon deshalb
von der größten Bedeutung, weil ihr Stil, wie sich zeigen wird, das Studium nach antiken Vorbildern
deutlicher erkennen läßt als die Mehrzahl der Werke irgendeines italienischen Bildhauers jener Zeit.
Sind aber authentische Arbeiten des Meisters erhalten?

Die Versuche, unter den erhaltenen Bronzen Werke Anticos nachzuweisen, haben allerdings wich-
tige Ergebnisse gebracht, aber bisher ist es nicht geglückt, außer einigen Medaillen authentische Sta-
tuetten des Meisters festzustellen. Ich betrachte es als die vornehmste Aufgabe der vorliegenden Unter-
suchung, diesen Nachweis zu erbringen und so an Stelle der Vermutungen, auf die wir bisher angewiesen
waren, eine sichere Basis zu schaffen, eine Anzahl stilistisch völlig übereinstimmender Skulpturen als
Werke des Meisters zu bestimmen. Ja, ich kann schon hier vorwegnehmen, daß von wenigen oberitalie-
nischen Bronzebildhauern des Quattrocento so zahlreiche Werke erhalten sind wie von Antico.

Der Lösung des Problems stellen sich mancherlei Schwierigkeiten entgegen. Während die Kunst-
schriftsteller des XVI. und XVII. Jahrhunderts uns keine Nachrichten über Leben und Werke des Meisters
überliefern, erscheint Anticos Name wiederholt in den «copialettere» der Gonzaga, die aber lückenhaft
erhalten sind und daher nur ein unvollständiges Bild von der Wirksamkeit des Meisters bieten. Immer-
hin wird in den Briefen Anticos an Mitglieder des Hauses Gonzaga und in denen der markgräflichen
Familie an den Meister eine so große Anzahl von Werken Anticos erwähnt, daß von diesen auszugehen
ist, um unter den erhaltenen italienischen Bronzestatuetten der Renaissance jene von der Hand Anticos
ausfindig zu machen.

Zum ersten Male hat Giovanni Gaye1 des Meisters Namen bekanntgemacht durch die Veröffent-
lichung eines Briefes vom 5. Februar 1497, in dem Antico seinem Mäcen Francesco Gonzaga über seine
Eindrücke in Rom berichtet. Diesen Brief hat Carlo d'Arco in seinem auch heute noch wertvollen
Werke «Delle arti et degli artefici di Mantova»2 abgedruckt, fügt aber in einer Anmerkung bezeich-
nenderweise hinzu, Antico sei ein «scultore, non ricordato dagli storici, e che deve essere vissuto in
Mantova anche posteriormente all' epoca in cui fu scritta questa lettera» und verweist auf die Verleihung
des Privilegs einer Fleischbank an «Pedro Jacopo Illario cognomenato VAntiquo celebre sculptore»
(12. November 1504). Mit diesen Dokumenten war nun allerdings der Name des Künstlers bekannt ge-
worden, doch sie genügten nicht, um auch nur ein einziges Werk des Meisters festzustellen. Dieser
Versuch wurde zuerst von Armand3 in seinem großangelegten Werke über die italienischen Medaillen
unternommen, der fünf Medaillen Gianfrancesco Gonzagas und seiner Gemahlin Antonia del Balzo,
von denen zwei die Signatur ANTI zeigen, für Arbeiten Anticos erklärte, ohne jedoch den Beweis er-
bracht zu haben, daß die Bezeichnung ANTI tatsächlich die Signatur Anticos sei. Die folgenden Aus-
führungen werden ergeben, daß Armands Zuschreibung zutreffend ist. Fußend auf den Attributionen
Armands, hat dann Mo linier4 einige stilistisch mit den Medaillen übereinstimmende Plaketten als
Werke Anticos veröffentlicht.

Erst die erschöpfenden systematischen Forschungen Umberto Rossis5 im Archivio Gonzaga zu
Mantua und im Staatsarchiv zu Parma haben zahlreiche Daten zur Biographie des Meisters und wich-

1 Giovanni Gaye, Carteggio inedito d'artisti, I. Band (1839), pag. 337, Nr. CLXVI.

2 Carlo d'Arco, Delle arti e degli artefici di Mantova, 1857, Teil, Nr. 50, pag. 40.

3 Alfred Armand, Les medailleurs italiens des XV et XVI siecles (Paris 1883) I, pag. 61.

4 Emile Molini er, Les plaquettes (Paris 1886) I, pag. 68, Nr. 99 und 100.

s Umberto Rossi, I Medaglisti del rinaseimento alla corte di Mantova II. Pier Jacopo Alari-Bonacolsi detto 1'Antico,
in: Rivista italiana di numismatica I (1888), fasc. II, i63f. und fasc. IV, 433 f. Wie mir der Direktor des Mantuaner Staats-
archivs, Professor Alessandro Luzio auf meine Anfrage freundlichst mitteilte, hat Rossi bis auf ein von Luzio in seinem aus-
 
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