Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Hermann, Hermann Julius: Pier Jacopo Alari-Bonacolsi, genannt Antico
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0294
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
288

Hermann Julius Hermann. Pier Jacopo Alari-Bonacolsi, genannt Antico.

der Markgräfin zierten und gegenwärtig einen stolzen Besitz des Louvre bilden. Eine wertvolle Er-
gänzung zu diesem überreichen Kunstbesitz bildeten die Statuetten Anticos. Es entsprach den Sammler-
interessen jener Zeit, wenn Isabella und die Markgrafen von Mantua sich bemühten, neben den minder-
wertigen antiken Originalen ihrer Sammlungen Nachbildungen der damals berühmtesten Antiken auf-
zustellen, die selbst wieder von den Sammlern hochgeschätzt wurden. Diesem lebhaften Wunsche des
Markgrafen Gianfrancesco Gonzaga, des Bischofs Lodovico Gonzaga und der Markgräfin Isabella d'Este
entsprach wohl Antico im höchsten Maße. Sein Geschick in der Nachbildung der Antike, seine tech-
nische Gewandtheit, nicht zuletzt die antikisierende Richtung seiner Kunst machten Antico zu dem
geschätztesten mantuanischen Bildhauer seiner Zeit. Die Statuetten Anticos sind denn auch nahezu
durchgehends Kopien nach jenen Antiken, die damals als wahre Wunder der Kunst angestaunt wurden.
Gewiß erfüllte es die mantuanischen Kunstfreunde mit der größten Genugtuung, von der Hand eines
so ausgezeichneten Künstlers, wie Antico in seiner Art einer war, Kopien nach den am meisten bewun-
derten Antiken Roms zu erhalten. So erklärt sich wohl auch die Auswahl der Antiken, die Antico nach-
bildete. Der Marc Aurel und der Dornauszieher waren Wahrzeichen des alten Rom, die auch das ganze
Mittelalter hindurch angestaunt wurden. Dazu kommen die Antiken, die, wie der Apollo vom Belvedere,
gerade damals aufgefunden wurden und rasch zu großer Berühmtheit gelangten. Wurden sie doch
für würdig erachtet, den Cortile del Belvedere zu zieren, der als eine Tribuna antiker Kunst gedacht
war. Nach diesen Antiken, die die ersten Zierden des Cortile del Belvedere bildeten, schuf Antico seine
Bronzestatuetten, die als wertvolle Ergänzung des Kunstbesitzes von Isabella d'Este und den Fürsten
des Hauses Gonzaga hochgehalten wurden.

Den Nachweis authentischer Arbeiten Anticos betrachte ich als das wichtigste Ergebnis der vor-
liegenden Untersuchung, in der ich zugleich den Versuch unternahm, eine größere Anzahl von Werken
des Meisters festzustellen, als bisher angenommen wurde. Ich zweifle nicht, daß es weiteren Nach-
forschungen gelingen wird, noch andere Werke Anticos aufzuspüren. Die Feststellung einer größeren
Anzahl von Werken ist aber auch von großer Wichtigkeit für die Geschichte der kaiserlichen Kunst-
sammlungen. Befindet sich doch etwa die Hälfte aller mir bekannten Arbeiten Anticos in
Wien, die Mehrzahl davon im Besitze des Allerhöchsten Kaiserhauses. Eine Reihe der schön-
sten darunter stammt aus der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm, in die sie entweder direkt
aus der Sammlung der Gonzaga oder auf dem Umwege über die Sammlung Karls I. von England gelangt
sind. Die hohe künstlerische Qualität der Statuetten, Büsten und Reliefs ist ein glänzendes Zeugnis für
das seltene Kunstverständnis des hochsinnigen Gründers unserer ehrwürdigen Gemäldegalerie und unserer
herrlichen Sammlung italienischer Bronzen.

Fig. 63. Gian Cristoforo Romano, Reversseite der Medaille der Isabella d'Este.

Wieü, Münzen- und Medaillensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses.
[Die Aversseite in diesem Jahrbuch, Band XVII, S. 274.]
 
Annotationen