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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Haberditzl, Franz Martin: Der heil. Georg des Meisters der Spielkarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0298
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F. M. Habcrditzl. Der heil. Georg des Meisters der Spielkarten.

nen Umrißlinien dieser Blätter auf A etc.). Die auffälligsten Verschiedenheiten aber zeigen die Figuren
man vergleiche die richtig und äußerst subtil wiedergegebene Einhakung der Zaumzeugstangen rechts
und links unterhalb der Schnauze des Pferdes auf A mit den schematischen Ringeln auf B, die sorgfältig
gezeichneten Nasenlöcher des Tieres auf A mit der wohl unverstandenen Wiedergabe auf B, ebenso die
Verschiedenheit der Darstellung des Augapfels etc.; im Gesicht des Georg geht die feine Zeichnung
des herabgezogenen rechten Mundwinkels und der Andeutung des Mundes durch Außerachtlassung
dieser zarten Striche auf B überhaupt verloren; die feingeschwungenen Parallelen auf dem Panzer
(r. Arm) werden auf B zu Geraden schematisiert; auffällig arm und verständnislos wiedergegeben
erscheint die Borte des Zaddelwerks unmittelbar rechts neben dem linken Knie des Georg. Schwert,
Panzer, Sporen, alles wird im Vergleich mit A auf B kleinlicher in Zeichnung und Schattengebung.
Gar nicht zu vergleichen ist der Kopf der Prinzessin auf B mit seinem idealen Vorbild in A, einem
feinen, durch wenige zarte Linien charakterisierten Gesicht, dessen Ausdruck nur mit den allerfeinsten
weiblichen Köpfen des Kartenspiels verglichen werden kann. Man beachte weiter, daß die Strichlage
der Schatten z. B. auf dem rechts eingelegten Wulst der Haube in ganz anderer Richtung auf A und
B geführt wird, ebenso daß die Bruchfalten des Mantels ganz links am Rande völlig anders orientiert
sind. Charakteristisch für den Meister der Spielkarten erscheint die Zeichnung des Ohres der Prinzessin
mit der steilen Abschrägung vom Ohrläppchen aufwärts auf A, ganz ähnlich wie z. B. das Ohr der
Kartenfigur von Lehrs, Taf. 8, Fig. 21, in Paris.1 Für B trifft dies keineswegs zu.

Der angedeutete Vergleich der augenfälligsten Verschiedenheiten ergibt den ungleich höheren
Qualitätswert von A, wodurch zugleich die Vermutung ausgeschlossen erscheint, daß ein Künstler von
so hervorragender Bedeutung, die uns dieses Blatt neuerdings erkennen läßt, als sein eigener schwächerer
Kopist in Frage kommen könnte. Da eine weitere Vergleichung der im Lichtdruck beigegebenen beiden
Abbildungen überdies die Feststellung ermöglicht, daß, wie betont, nicht ein Strich auf beiden Dar-
stellungen wirklich identisch ist, ist auch die weitere Annahme, es handle sich in A um eine retuschierte
oder aufgebesserte Platte, auszuschließen und wir können folgern, daß der heil. Georg in der
Kupferstichsammlung der Wiener Hofbibliothek ein Original (Unikum) des Meisters der
Spielkarten, die Dresdner Darstellung eine wohl ziemlich gleichzeitige Kopie von ande-
rer Hand ist.2

Von der Schrift auf A, die zweifellos dem XV. Jahrhundert angehört, ist folgendes zu lesen:3
In der ersten Zeile: «regnat | obedi(ens?) non habitat | (dixit?) dominus ad catherinam senensem.» In
den drei folgenden Zeilen von anderer Hand: «prineipiis obsta etc. Et scintilla si non extinguitur sepe
crescit in flammam.» Der Hinweis darauf, daß Katharina von Siena, welche 1461 heilig gesprochen
wurde, in dieser Notiz noch nicht als Heilige genannt wird, mag vielleicht von einiger Bedeutung sein.

1 Lehrs, a. a. O.

2 Maße von A: 148 X I27 Blattgröße, beschnitten, von B: 1^0 X '33 Blattgröße. Besser charakterisiert werden die
Maße der beiden Blätter durch bestimmte Abmessungen innerhalb der Darstellung, z. B. A: Spitze des 1. Ohres des Pferdes
zur r. Fußspitze des Georg 118 mm, B: Il8*/a, von der Nasenspitze der Prinzessin zur Mitte der 6köpfigen Blume r.
unten, A und B: 124 mm. Die auf B bezüglichen Abmessungen verdanke ich Dr. Max Geisberg.

3 Meinem Freunde Dr. Ankwicz danke ich herzlichst für die wertvolle Hilfe beim Lesen dieser Zeilen.
 
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