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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Dodgson, Campbell: Drei Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0012
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4

Campbell Dodgson.

zuheben, weil sie auf dem breiten Rand mit gleichzeitigen Überschriften versehen sind, die bis auf ortho-
graphische Kleinigkeiten mit den von Schultz abgedruckten übereinstimmen. Es sind dies: erstens
Nr. i3 (S. 48): «Wie die kunigin schwanger vnd | ain Sun geporen ward»; zweitens Nr. 26 (S. 75),
bereits im verbesserten Zustand: «Der Lust vnd die schicklicheit so er in j angebung des gemaels gehabt
vnd | bey sein Zeiten (?) besserung der selben».1

Von größerem Interesse ist aber die ganz unbekannte Darstellung, die wir hier an zweiter Stelle
(Fig. 2) abbilden. Das namentlich auf der linken Seite verriebene und sonst beschädigte Original
( 215 : 196 mm) befindet sich neben anderen Probedrucken zum Weisskunig in einem Sammelbande der
Bibliotheque Nationale zu Paris (Ea. 25 d, p. i3). Als Zeichner läßt sich auf den ersten Blick der weniger
bedeutende Künstler des Weisskunig, Leonhard Beck, erkennen. Charakteristisch sind namentlich die
Säulen mit den Cherubsköpfen,2 die Häuser im Hintergrund und die Bäume.3 Dargestellt sind links
der Weisskunig, rechts eine Fürstin oder Edeldame, die ihm einen steifen, mit Flammen gestickten und
anscheinend mit Edelsteinen besetzten Rock darreicht. In den Flammen darf wohl eine Anspielung auf
die Insignien des goldenen Vließes vermutet werden. Daß die Dame die junge Königin von Feuereisen
(Maria von Burgund) darstellt, unterliegt wohl keinem Zweifel. Wer könnte sonst eine solche Rolle
spielen? Wenn man den etwas fremdartigen Kopfputz wegdenkt, sind die Gesichtszüge denen der Ge-
mahlin Maximilians, wie sie wiederholt im Theuerdank und Weisskunig von Beck in seiner schema-
tischen Weise dargestellt werden, genügend ähnlich.4 Verfehlt ist namentlich in diesem Falle der Ge-
sichtsausdruck; der starre Blick und das Mißverhältnis des großen Kopfes zum untersetzten Körper
erklären die Tatsache, daß der Holzschnitt verworfen wurde.

Nicht nur der Holzschnitt sondern auch das Kapitel des Textes, in dem die Deutung des Gegen-
standes sonst zu suchen gewesen wäre, wurde verworfen und unterdrückt. Denn im Text, wie er mit
Zusätzen und Erklärungen von Schultz herausgegeben ist, sowie in den Ideen zu ferneren Abbildungen
(S. 541) finde ich kein Wort, das auf die Darstellung bezogen werden kann. Sein Fehlen im definitiven
Programm des Werkes spricht, wie die etwas unbeholfene Zeichnung, dafür, daß der Holzstock in einem
ziemlich frühen Stadium der Entwicklung des Weisskunig entstand. Das Format des Blattes, sein
formaler und inhaltlicher Zusammenhang mit den anderen Beiträgen Becks zum Weisskunig und die
Tatsache, daß es inmitten einer Gruppe von Probedrucken zu diesem Werke in den alten Beständen der
Pariser Nationalbibliothek aufbewahrt wird, schließen jeden Zweifel über seine wirkliche Zugehörigkeit
zum Illustrationszyklus des Weisskunigs aus.

II.

Eine Darstellung des Jagdunfalls der Maria von Burgund.

Unter den zahlreichen Holzschnitten, welche Ereignisse im Leben Kaiser Maximilians I. mit mehr
oder weniger Glaubwürdigkeit schildern, war bisher keiner bekannt, der den Tod seiner Gemahlin zum

1 Herrn Major z. D. Lossnitzer verdanke ich eine Pause beider Inschriften. Die Lesart «Zeiten» ist schwer verständlich;
von «ingeni» aber, wie es bei Schultz nach einer anderen Quelle heißt, kann hier keine Rede sein. Das entsprechende Kapitel
des Weisskunig enthält, nebenbei bemerkt, eine Prophezeiung, deren Richtigkeit erst ein Kunsthistoriker der Gegenwart völlig zu
schätzen imstande ist: «Er [der junge weiss kunig] hat auch die grossen kinstler der malerey und schnitzerey underhalten und vil
kunstliche werch malen und sneiden lassen, die in der weit in seiner gedächtnas aber mit verkerten namen beleiben wer-
den.» Dem hier mit drei Worten trefflich charakterisierten Cbelstand vermögen unsere vereinigten Kräfte noch nicht abzuhelfen.

2 Vgl. S. Adeldrudis in der Heiligenserie und einen architektonischen Rahmen im Leben des heiligen Ulrich (Augs-
burg, S.Otmar, 15 16).

3 Vgl. Theuerdank, Nr. ii.

4 Beck hat Maria von Burgund neunmal im Theuerdank als Ehrenreich (Nr. 1, 4, 5, 6, 98, 100, 107, 108, 116), fünf-
mal im Weisskunig als die Königin von Feuereisen (S. 122, l3l — 136) gezeichnet. Von Burgkmair ist dagegen je bloß eine
Darstellung vorhanden, im Theuerdank Nr. 1 13, im Weisskunig die zugunsten Becks verworfene Unterhaltung im Garten,
S. 137. Daß Beck sich um Porträtähnlichkeit wenig bemüht hat, ergibt sich aus dem Vergleich der Gesichtszüge Mariens
mit denen ihrer Mutter, ihrer Hofdamen oder gar der Königin Leonora (Weisskunig, S. 9, 20, 3o, 32). Mit dem unbeschrie-
benen Holzschnitt sind besonders die früheren Nummern des Theuerdank zu vergleichen.
 
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