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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0099
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Oskar Pollak.

dankt; denn ein Umbau des XVIII. Jahrhunderts hatte das Rathaus in einen nüchternen Kasernenbau
verwandelt. Als man gelegentlich des Neubaues des Landesgerichtsgebäudes das ehemalige Rathaus de-
molieren wollte, fand man hinter dem Mauerverputz Reste der originalen Dekorierung, als Fenster-
pilaster, Gesimsstücke etc., und unternahm es nun mit Hilfe alter Stiche, deren einen vom Jahre 1743
wir in Fig. 41 bringen, den Bau in seiner ursprünglichen Gestalt zu rekonstruieren. Was in der heuti-
gen Fassung durch die aufgefundenen Reste beglaubigt ist und was der Phantasie des rekonstruieren-
den Baumeisters zuzuschreiben ist, wird schwer zu entscheiden sein, da meines Wissens die erhaltenen

Baureste vor der Restaurierung
nicht photographiert oder sonst
irgendwie aufgenommen wurden.
Was die Fenster des ersten Stock-
werks betrifft, so stimmen sie in
der Tat mit denen auf dem Stiche
fast völlig überein (so weit dies
bei Stichen, besonders des XVIII.
Jahrhunderts, überhaupt der Fall zu
sein pflegt); auch habe ich selbst
die frisch aufgedeckten Fenster-
pilaster vor der Restaurierung ge-
sehen, mit denen die heutige Form
wohl übereinstimmt.

Die Fenster dieses Rathauses
sind denen des Wladislawschen
Saales, wie gesagt, auffallend ähn-
lich : hier wie dort gedrungene
korinthisierende Pilaster, in deren
Kannelüren im unteren Drittel
runde Pfeifen eingelegt sind und die
eine sehr ähnliche Kapitälform zei-
gen; die Pilaster stehen auf einem
einfach profilierten Gesims auf, das
wiederum, je unter den Pilastern,
von Blattkonsolen gestützt wird.
Diese freilich sind in beiden Fällen
verschieden: beim Wladislawschen
Saale liegt das Blatt flach über
einem architektonischen Kerne, während beim Rathause die ganze Konsole aus einem gelappten Blatte
besteht. Das über den Pilastern ruhende Gebälk dagegen zeigt in beiden Fällen eine fast identische Glie-
derung und Profilierung: den in seiner Struktur unverstandenen, aus drei vortretenden Gesimsstücken
gebildeten Architrav, den breiten Fries und das eigenartig gegliederte Kranzgesims.

Als drittes läßt sich diesen Werken das dreigeteilte Prachtfenster am Altstädter Rathause
(Fig. 5) angliedern. Die Pilaster des höheren und breiteren Mittelfensters tragen hier ein schweres Gebälk,
über das als Abschluß ein halbkreisförmiger Tympanonbogen geschlagen ist, — eine Komposition, wie
sie nach dem Vorbilde zahlreicher oberitalienischer Portale gern für Portalbauten verwendet wurde
(vgl. das Portal der Salvatorkapelle in Wien), für Fenster aber selten benutzt worden sein mag. Die

1 Die Abbildung ist ein Ausschnitt aus einem Stiche von Johann Andreas Pfeffel, der zu einer Serie von Stichen
gehört, die die Feierlichkeiten gelegentlich der Krönung Maria Theresias verherrlicht, und der die Aufschrift trägt: «Prospect des
Plazes bey dem Neustädter Rath-Hauß oder des so genannte Viehmarckt in Prag, allwo die Fürst-Caraffische Arriere-Garde
bey der auf diesen Plaz zu gewöhr gestandene Neustädter Bürgerschaft vorbei marschirte.»

Fig. 8. Altstädter Ring, Portal «zum Einhorn».
 
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