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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0100
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Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520—1600.

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tragenden Pilaster an diesem Fenster sind zwar schlanker als die der vorhin genannten Monumente,
stehen aber durchaus auf derselben Stilstufe. Das Sonderbare und Auffallende sind jedoch die Baldachin-
fialen, die über den Kapitalen der beiden seitlichen Pilaster errichtet und durch ein aufgeblendetes, mit
Renaissancemotiven vermischtes Maßwerk mit dem Mittelteil verbunden sind, sowie die Kreuzblume, in
die der Tympanonbogen des letzteren ausklingt. Im seltsamsten Gegensatze zu diesen spätgotischen
Nachzüglern stehen die geometrischen und pflanzlichen Renaissanceornamente, die das verkröpfte Fuß-
gesimse, die Gewände der Fenster, die Gesimsränder, Hohlkehlen, Kymatien des mittleren Aufsatzes
bedecken. Es ist dies eine gleiche
Mischung von überkommenen und
übernommenen Formen, wie sie
sich auch in der Fassade des eben
besprochenen Neustädter Rathau-
ses (Fig. 4) ausspricht, in jener Be-
krönung einer Renaissancefassade
mit spätgotischem Maßwerkgiebel,
auf die wir später noch zu spre-
chen kommen werden.

Wenn wir uns nun den Por-
talen dieser Stilgruppe zuwenden,
so müssen wir nochmals auf die
Fassade des Neustädter Rathauses
(Fig. 2) verweisen, die ein hoch-
interessantes Portal enthält, das
aber auf dem abgebildeten Stiche
(Fig. 4) absolut kein Analogon hat.
Es wäre immerhin möglich, daß
das einfache Portal auf dem Stiche
einer zwischen dem XVI. und
XVIII. Jahrhundert vorgenomme-
nen Restauration seine Entstehung
verdankt und daß man bei der
jüngsten Restaurierung Spuren des
Originalportals fand, die man zur
Ausgestaltung des heutigen Por-
tals benützte. Tatsache ist, daß
dieses Portal mit einer Reihe von

Prager Portalen, die offenbar gleichzeitig mit den drei eben besprochenen Fensterexemplaren entstanden
sind, die schlagendsten Ubereinstimmungen aufweist. Hier eine kurze Beschreibung des fraglichen Wer-
kes: Das von zwei kurzen, auf doppeltem Postament erhobenen Säulen getragene Gebälk stimmt in der
Profilierung fast vollständig mit dem der Fenster überein. Bemerkenswert sind die Säulenkapitälc, die
eher romanischen Korbkapitälen als korinthischen ähneln. Am auffallendsten ist endlich die innere Tür-
umrahmung, die als ein seltsames Gemisch aus spätgotischer Struktur und renaissanceähnlichen Gesims-
bilaungen erscheint. Spätgotisch ist der ganze Aufbau : daß nämlich der Torbogen durch zwei angesetzte
Dreiecke ins Viereck geschlossen wird, so zwar, daß die Vorderfläche dieser Gesimsteile in einer Ebene
liegt; dadurch steht auch die Profilierung noch auf dem spätgotischen Standpunkte, der sie nicht wie
die Renaissance von der Wand nach außen sondern von einer idealen Vorderfläche ins Innere führt.
Spätgotisch ist endlich das stumpfe Absetzen des profilierten Gewändes auf einem Pfosten; der von unten
heraufwächst. Das einzige, was diese Umrahmung von einer spätgotischen Stabwerkstür unterscheidet
ist die Art der Profilierung, die, kurz gesagt, nichts anderes ist als der gebogene Architrav dieses Portals,
xxix. ,3

Fig. 9. Südportal von St. Georg, Detail.
 
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