Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

DOI issue:
I. Teil: Abhandlungen
DOI article:
Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0101
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
94

Oskar Pollak.

Die gleichen Beobachtungen können wir, teilweise noch deutlicher, am Portal der Reiterstiege
in der Hofburg (Fig. 6 vor, Fig. 7 nach der Restaurierung) machen. Die schlankeren Proportionen, die
tiefer herabgeführten Säulen, die einem korinthischen etwas besser nachempfundenen Kapitale lassen
es wahrscheinlich erscheinen, daß dieses Portal etwas jünger sei als das vorhin besprochene. Aber auch
hier bemerken wir genau die gleiche Art einer spatgotisch konstruierten Türumrahmung, die sogar
durch Wasserschrägen — eine echt gotische Form — in den unteren glatten Pfeiler übergeführt ist.

Waren es beim vorigen Portal die
Korbkapitäle, die als Reminiszen-
zen aus dem romanischen Stile er-
schienen, so sind es hier die klei-
nen, von der Plinthe zur Säulen-
basis überleitenden Eckklötzchen,
die uns beweisen, wie zäh sich ge-
wisse Gewohnheiten und Traditio-
nen festgewurzelt hatten.

Ferner gehört zu dieser Gruppe
das sonderbare Portal des Hauses
«zum Einhorn» am Altstädter
Ring Nr. 551/21 (Fig. 8), dessen
Pfeiler wohl in ganz Osterreich und
Deutschland nicht ihresgleichen
haben; es ist jedenfalls eine der
eigenartigsten Früchte, die diese
erste Vereinigung der neuen Form-
gedanken mit spätgotischer Phan-
tastik gezeitigt hat. Seltsam sind
auch die Kapitälformen, die wie
aus dünnem Blech geformt und aus-
geschnitten sind, höchst kurios
auch die Gliederung und Profilie-
rung des Abschlußgebälks. Inter-
essant ist dieses Portal endlich we-
gen der inneren Türumrahmung,
die in Kömposition und Prinzip
genau den der beiden eben bespro-
chenen Werke entspricht; die spät-
gotische Empfindung des Meisters
manifestiert sich hier noch deut-
licher in der Umknickung der un-

Fig. 10. Heinrichsgasse, Westvorbau an St. Heinrich.

teren Endungen.

Als letztes möge das Südportal von St. Georg am Hradschin (Taf. V und Fig. 9) den Reigen
schließen, dessen Kapitäle einerseits in ihrer romanisierenden Korbform mit denen des Neustädter Rat-
hauses, andererseits in der blechartigen Ausführung der Blätter mit denen des eben besprochenen Por-
tals aufs engste verwandt sind. Als Kirchenportal ist es naturgemäß viel reicher gestaltet; doch ist die
vordere, ädikulaartige, von einem Dreiecksgiebel gedeckte Umrahmung in Aufbau und Profilierung
mit den früher besprochenen Werken fast identisch und die innere Umrahmung, die von zwei Säulen,
einem geraden Sturz und einem darüber errichteten Halbkreistympanon gebildet wird, kann mit dem
Mittelteil des Altstädter Rathausfensters (Fig. 5) verglichen werden; hier wie dort treten auch rosetten-
artige Zierformen auf. Die Kassettierung der Unterseite des vorderen Abschlußgesimses hat wiederum
 
Annotationen