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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0102
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Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1526—1600.

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ihr Korrelat am Portal des Einhornhauses (Fig. 8). Ferner sei noch auf die anders als bei den früheren
Portalen gestaltete, aber ebenfalls echt spätgotische Form der eigentlichen Türstockumrahmung auf-
merksam gemacht: über dem, übrigens auch am unteren Ende rechtwinkelig abgebogenen Gesims-
rahmen, der die Türöffnung umschließt, sitzt noch ein zweites, niedrigeres Rahmenstück. Endlich beachte
man noch, daß die Säulen des inneren Rahmens ähnlich denen des Portals der Reiterstiege (Fig. 6 und 7)
auf bankähnlich profilierten Mauersockeln aufstehen.

Die bisherigen Betrachtungen dürften zum Nachweise genügen, daß alle genannten Monumente
zu einer engen Stilgruppe gehören; die Übereinstimmungen sind im Ganzen wie im Detail derartig

Fig. 11. Padua, Palazzo della Ragione.

schlagend, daß die in Frage stehenden Bauten zeitlich nicht mehr als ein oder höchstens eineinhalb De-
zennien auseinanderliegen können.

Und nun wenden wir uns der Beantwortung der Frage zu: Wann kann diese Gruppe von Bauten
entstanden sein? Einerseits sahen wir, wie stark noch spätgotische Konstruktionsideen, ja spätgotische
Profilierungen und selbst Zierformen in den Renaissanceaufbau hineingemischt sind. Andererseits wird
uns bei den wichtigsten dieser Monumente, so bei den Fenstern desWladislawschen Saales, beim Portale
der Reiterstiege, beim Portale von St.Georg versichert, sie wären nach dem Brande von 1541 entstanden, also
in einer Zeit, da der Bau des Belvederes (Taf. VI) im Untergeschosse in der Hauptsache bereits fertig da-
stand. Ist es von vornherein als wahrscheinlich anzunehmen, daß derselbe Hof, der den Belvederebau
errichten ließ, derartig nach damaligem Sinne «zurückgebliebenen» Baumeistern so wichtige Bauten an-
vertraut hätte? Ist es ferner als wahrscheinlich anzunehmen, Architekten, die jenen Belvederebau vor
Augen sahen, hätten derartig offenbar mißverstandene Gebälke und Säulen entwerfen können? Denn
aus diesen Monumenten spricht deutlich der Wille, italienische < antike» Formen zu verwenden; offen-

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