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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0106
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Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520—1600.

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Jedenfalls war das von den luftigen Laubengängen umgebene Erdgeschoß, wenigstens in seinem bild-
nerischen Schmucke, noch nicht fertig. Denn als die Arbeiten im Jahre 1545 wieder aufgenommen
wurden, war Meister Paul daran, die «.Historien oder pildwerch» in Stein auszuhauen. In diesem Jahre
wurde Meister Paul die alleinige Leitung des Baues übertragen, da er sich mit Meister Zoan Maria nicht
vertrug. Dieser hatte von nun ab den Schloßbau zu leiten.1 Die Steinmetzarbeiten für den Arkaden-
umgang und das Unterstockwerk gehen ununterbrochen weiter. Interessant ist die Bauordnung für den
W inter 1550, nach der Meister Paul «die angefangen Wappen,
so auf die fettster im lusthaus gehörn, ausmachen und voll-
enden» sollte.2 Im Jahre 1552 starb Paolo della Stella3 und
nachher erscheint als Oberleiter der Belvederebauten Hans
Tirol von Romaldo; im Juli 1555 beginnt er mit der Er-
richtung der Mauern des oberen Stockwerkes,4 das im De-
zember 1556 fertig dastand. In diesem Jahre wird Bonifaz
Wolmuet aus Konstanz, der 1554 als Steinmetz zur Unter-
stützung Tirols von Wien nach Prag geschickt worden war,
als «Baumeister im Schloß zu Prag» erwähnt und er ist es,
der den Bau dieses Oberstockswerks zu Ende geführt hat; er
ist es auch, der die «visierung», d. h. den Entwurf zur Aus-
schmückung der Fassade dieses Stockwerks gemacht hat
(1557) und der mit Johann Baptista Austalis als Stein-
metz und mit Ulrich Austalis als Maurer die Verträge
betreffs Ausführung dieser Fassade abschloß.5 Am 6. Novem-
ber 1559 waren «der architrav, früesz und cornisz, desgleichen
auch etliche orlament auf die niszii und fenster» vollendet.6
Im Jahre 1560 war das Lusthaus bereits fertig und mit
Kupfer eingedeckt.7 Die Bautätigkeit in den folgenden Jahren
bis 1563 beschränkte sich auf untergeordnete Arbeiten, als
Pflasterung der Säle und Korridore, auf die Anbringung von
Kupferrinnen und Wasserspeiern und auf den Ölanstrich
des Kupferdaches in roter und weißer Farbe, mit dem böh-
mischen Löwen auf jeder Langseite.8

Trotz dieser genauen Baudaten wissen wir doch für den
Hauptteil des Baues, das Erdgeschoß mit den Arkaden, das
Interessanteste nicht: den Urheber des Entwurfes und des
Modells. Jedenfalls stammte der Meister aus Oberitalien;9
denn reine oberitalienische Frührenaissance spricht aus den

Proportionen des Ganzen, aus den Säulenarkaden, aus dem verschwenderischen Reichtum an pflanz-
lichem und figürlichem Schmuck, aus jedem einzelnen Detail (Taf. VII). Man hat auch nach italienischen
Vorbildern für diesen eigenartigen Saalbau mit Arkadenumgang gesucht und die Vicentiner Basilika
Palladios, wenn auch mit der Einschränkung, «die Nachahmung beziehe sich nur auf den Umriß», als
Vorbild angegeben.10 Die Tatsache, daß Palladio sein Werk im Jahre 1549 begann,11 genügt, um dieser
Angabe jeden Boden zu entziehen. Viel wahrscheinlicher ist dagegen die Anlehnung des Belvedere-

Fig. 15. Altstädter Ring, «Teinschule;».

1 Reg. 4118. 2 Reg. 4143, 4182. 3 Reg. 6146.

4 Reg. 4240; vgl. Winter, 1. c, p. 59, 62, Anm. 4.

3 Reg. 4253, 4256, 4257, 4283A; vgl. Reg. 6159, 7223.

6 Reg. 4288. 7 Reg. 7463. 8 Reg. 6182, 4333, 6195, 7665, 6202, 4362, 6210.

" Winter, I.e., p. 55, hält ohne jeden Grund Paolo della Stella für den Autor des Entwurfes.

10 Bezold. Renaissance, S. 113.

11 Burckhardt, Cicerone, 9. Aufl. (1904), II, 1, S. 3iga.
 
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