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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0112
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Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520—1600.

I05

fachen oder gebrochenen oder volutenartigen Kurvenumriß haben. Dadurch wird ein Mittelding ge-
schaffen zwischen Treppengiebel und ansteigendem Giebel, eine Form, die sich in mehr oder minder
reicher und ausgebildeter Form ebenfalls bis zum Ende des Jahrhunderts und darüber hinaus erhalten hat.

Einförmig und nüchtern erscheint uns die eigentliche Fassade nur in ihrem heutigen Zustande:
wir erfahren, daß sie einst einen reichen Sgrafittoschmuck trug. Schon an der Fassade des Wladis-
lawschen Burgtraktes (Taf. IV und Fig. 3) kann man noch heute Spuren einer Scheinrustizierung mittels
Sgrafitto bemerken. Diese Gepflogen-
heit, die wohl von Oberitalien über-
nommen worden war, scheint also
sehr bald Aufnahme gefunden zu
haben und muß sehr schnell in die
breitesten Schichten gedrungen sein.
Erfahren wir doch fast bei allen
erhaltenen Bürgerhausfassaden des
XVI. Jahrhunderts in Prag, daß sie
einst mit Sgrafitten bedeckt waren.
Leider hat sich heute nur sehr wenig
erhalten und das Wenige geht lang-
sam seinem Untergange entgegen.
Welch ein freudiges und heiteres
Bild die Straßen einmal dargeboten
haben mögen, kann man nach dem
schönsten erhaltenen Beispiel sich
vorstellen: dem heutigen Palais
Schwarzenberg am Hradschiner
Platz, über der Schloßrampe (Fig. 18).
Nach Herain1 wurde der Bau im
Jahre 1545 von Johann dem Jüngern
von Lobkowitz begonnen und 1563
durch den italienischen Baumeister
Augustinus vollendet. Winter2
identifiziert diesen sonst unbekann-
ten Meister, vielleicht mit Recht, mit
Augustin Austalis, dem Sohne3
des Zoan Maria Austalis, den wir
beim Belvederebau und bei den kai-
serlichen Burgbauten kennen gelernt

haben. Die Bauzeit dieses Palastes stimmt also genau mit der des Palais Slawata überein. Der Palast
wechselte in der Zukunft wiederholt seine Herren; unter anderen besaßen ihn eine Zeitlang die Rosen-
berge, dann die Fürsten von Eggenberg, bis er nach weiterem mehrfachen Besitzwechsel 1719 an die
Schwarzenberge kam, die ihn heute noch besitzen. Er ist der einzige unter den vielen Bauten jener
Zeit, der seine Dekorierung noch ganz frisch und unversehrt (wenn auch öfter restauriert) erhalten hat.
Der sich vorspreizende Sockel ist mit fingierten Quaderbossen, der Körper des Palastes selbst mit fingier-
ten Diamantquadern bedeckt; die oberste Zone, unter dem Dache, sowie der Giebel dagegen mit der
zierlichsten Ranken- und Blattornamentik.

Fig. 21. Die Bogen des Marcellustheaters aus Serlio, III. Libro d'Architettura.

1 I.e., p.91.
1 1- c, p. 73.

3 Prager Stadtarchiv, N'r. 2215, fol. B. 28.
 
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