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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0116
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Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520—1600.

Blut übergegangen, daß sie aus dieser ihrer Kenntnis heraus das für die gegebenen Verhältnisse Geeig-
nete hätten neu schaffen können. Der Fall des Palais Schwarzenberg, der von einem italienischen Archi-
tekten erbaut wurde, läßt aber die Gründe dieser auffallenden Tatsache tiefer vermuten: es scheint,
daß der nordische Bauherr beim Baue seines Wohnhauses oder seines Palastes von der ererbten Form
nicht ablassen wollte, dem psychischen Gesetze der Trägheit folgend, das gerade beim Hausbau, beim
«Kleide» im weiteren Sinne, am kräftigsten in Wirksamkeit tritt. Dies wird wohl den interessanten
Fall des besprochenen Baues er-
klären. Denn, selbst wenn man
auch jenen Baumeistern oder Bau-
herren einen modernen bauästhe-
tischen Gedanken, nämlich den,
ein homogenes Straßenbild nicht
durch einen herausfallenden Bau
stören zu wollen, imputieren woll-
te, so würde auch dies in unserem
Falle nicht in Frage kommen, da
der Palast durch seine isolierte
Lage auf keinerlei Nebenbauten
Rücksicht zu nehmen gezwungen
war. Und so sehen wir das Merk-
würdige, daß bis tief ins XVII. Jahr-
hundert hinein italienische Archi-
tekten bei Privatwohnbauten nur
in beschränktem Maße von ihren
Kenntnissen italienischer Bauart
Gebrauch machen können; und
diesmal sind wir dem Konservatis-
mus vielleicht zu Dank verpflich-
tet, da er aus dieser Mischung und
Durchdringung von spätgotisch-
heimischer Formfreude mit ita-
lienischem Schönheits- und Struk-
turgefühl heraus jedenfalls an-
ziehendere und originellere Bauten
entstehen ließ, als es vielleicht ita-
lienisierende Afterpaläste auf nor-
dischem Boden geworden wären.

Wie weit damals selbst deut-
sche Meister sich in italienische Art
eingelebt hatten, beweist die Fas-
sade des Oberstockwerks des Belvederes (Fig. 17), die, wie wir bereits gehört haben, in den Jahren 1555
bis 1559 vom Baumeister Bonifaz Wolmuet (Wollmut, Wolgemut) errichtet wurde. Ob und inwieweit
die von ihm eingereichte und vom König gebilligte Visierung der Fassade sich dem ursprünglichen Ge-
samtentwurf des Baues anschloß, wissen wir nicht. Anzunehmen ist aber, daß er verschiedenes geändert
haben mag; denn es ist von vornherein unwahrscheinlich, daß der Entwerfer des Gesamtplans eine
dorische Ordnung auf die jonische des Untergeschoßes aufgesetzt und jonische Fenster in diese dorische
Ordnung eingefügt haben sollte. Sehr merkwürdig ist auch die Form des Abschlußgebälkes, das um das
ganze Gebäude herumläuft; es hat überhaupt keinen Architrav. Und auch der Triglyphenfries hat eine
seltsame Metopenform in Form einer erhabenen Kassette. Ein «vitruvianischer» Kritiker hätte auch das

XXIX. 15

Fig. 26. Teinhof, Hofarkaden.
 
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