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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0119
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I 12

Oskar Pollak.

scheint auch schnell in Angriff genommen worden zu sein; denn schon am 6. November 1559 berichtet
Wolmut, er sei mit dem Aufsetzen der oberen Kolumnen beschäftigt.1 Am 8. Oktober 1560 muß die
Arbeit vollendet gewesen sein; denn es wird bereits das Gerüst für den Maler Francesco Terzio auf-
gestellt, der das ganze Orgelwerk ausmalen sollte.2

Das Werk, ein zweigeschossiger Arkadenbau, der bis zur Triforiumshöhe des Chors reicht, ist
heute nicht ganz in seiner originalen Form erhalten; der für die Musiker und Sänger im XVIII. Jahr-
hundert hineingebaute Holzbalkon
verdeckt das Gebälke der unteren
Ordnung; doch ist es leicht, sich
das Werk in seiner ursprünglichen
Gestalt vorzustellen. Diese Orgel-
wand ist, gleich dem Turmhelm des
Domes, der kurz nachher, 1560—
1563, wahrscheinlich durch den-
selben Meister entstand, ein kost-
bares Dokument für die Gesinnung
jener Zeit beim Ausbau alter Denk-
mäler: man dachte nicht im ent-
ferntesten daran, diese Zubauten
etwa im gotischen Stile auszufüh-
ren. DasRingen um die lebendige
Kunst war den Meistern zu heilig
und zu wichtig, als daß sie sich in
undankbaren und nutzlosen Rekon-
struktionen aufgeopfert hätten. Der
Meister, dem sich die Gelegenheit
bot, von feierlicher Stelle aus sein
Werk sprechen lassen zu können,
griff dankbar zu und versuchte sich
in der « neuen Weise » so recht aus
dem Vollen heraus. So dachte nicht
nur das XVI., so dachte und han-
delte auch das XVII. und XVIII.
Jahrhundert. Und dieses Neue, re-
solut mit dem Alten verbunden,
bringt statt eines Mißtons nur einen

Fig. 29. Ägidigasse, Portal «Zur Eisemen Türe».

neuen Klang, der sich mit dem
Ganzen zu einem neuartigen vollen
Akkord verbindet. Es wird ein un-
wiederbringlicher, unersetzlicher Schaden sein, wenn binnen kurzem dieser einzigartige Innenraum des
Präger Domes, ebenso eigenartig wie sein gotischer Turm mit dem herrlichen Zwiebelhelm, dem neu-
gotischen Ausbau zum Opfer fallen wird. Ein «künstliches, zierliches und mit allen dingen kirchisches»
Werk hatte Konig Ferdinand I. zu schaffen geglaubt; unsere Zeit glaubt besser zu wissen, was «kirchisch»
sei und was nicht; und die Renaissanceorgelbühne wird dem Ausbau in gotischem, d. i. dem «kirch-
lichen» Stile weichen.

Doch wir kehren zur Betrachtung dieses Baues zurück: er besteht, wie gesagt, aus einer Doppel-
arkade mit je drei Öffnungen; im Erdgeschoß sind den Pfeilern, die die Halbkreisbogen tragen, dorische

1 Reg. 4288. 2 Reg. 6180.
 
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