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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0127
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Oskar Pollak.

aus den Übereinstimmungen bis zur Kapitälhöhe, daß wir es hier mit Vorbild und Kopie zu tun
haben. Abweichend sind in diesem Teile des ausgeführten Portales nur die Proportionen, die, wie
gewöhnlich, in die Breite gezogen sind. Die seitlichen Pilaster dagegen haben (vom Fußboden bis zum
Kapitälabschluß) das gleiche Verhältnis wie auf der Vorlage, nämlich i: 6, nur mit dem Unterschiede,
daß der Basis ein diamantförmig behauener Sockel untergesetzt wurde, so daß die Pilaster selbst etwas
gedrungener werden. Der obere einfache Gesimsabschluß des Serlio war dem Prager Baumeister aber

zu einfach: er setzt auf die Pilaster-
kapitäle jonische Gebälkstücke, über
denen sich das abschließende Kranz-
gesimse etwas verkröpft; er zieht den
Schlußstein des Bogens bis zu diesem
Kranzgesimse hinauf und setzt in die
rechts und links entstehenden Hohl-
räume Kartuschen. Durch diesen
oberen Aufsatz bekommt das Ganze
gleichsam eine eigene, eine heimi-
sche Lazur und man verzeiht dem
Autor sein «Nachempfinden».

Jedenfalls genügen schon diese
wenigen Beispiele, um zu zeigen,
welch eminente Rolle die italieni-
schen Renaissanceformen auch im
einfachen Bürgerhause zu spielen be-
gannen. Und daß dieser Einfluß nicht
nur auf die Portale, die Schmuck-
stücke der Fassade, beschränkt blieb,
sondern selbst umgestaltend auf den
eigentlichen Bau zu wirken begann,
sehen wir an den Höfen, die dem
Klima zum Trotz das Durchbrechen
und Auflösen der Wände übernah-
men. So sieht man im Hofe des
«Teinhofs», links von der Ein-
fahrt, das erste Stockwerk in eine
richtige italienische Loggia (Fig. 26)
mit vier Bogen aufgelöst. Leichte
Frührenaissancesäulen toskanischer

Fig. 37. St. Adalbertskapelle, Grundriß (aus Podlaha-Hilbert).

Ordnung sind durch halbkreisförmige Bogen miteinander verbunden. Die Archivolten sind nur in
Sgraffito angedeutet, die Zwickel zwischen diesen Archivolten und dem einfachen Gurtengesims waren
wie die von gepaarten Fensterchen durchbrochene Wand des zweiten Stockes mit reichen ornamen-
talen Sgraffiti bedeckt, wie man aus spärlichen Resten sehen kann.

Daß der Bau des vornehmen Bürgerhauses um diese Zeit immer mehr mit italienischen Einzel-
motiven, freilich innerhalb der Grenzen der heimischen Komposition, sich durchsetzte, lehrt das präch-
tige Haus « zu zwei Kameelen» in der Melantrychgasse (ehemals Schwefelgasse, Nr. Cons. I/471), das
heute leider nur mehr in Photographien existiert, da es in den neunziger Jahren einem Neubau weichen
mußte (Taf.X, XI und Fig. 3i). Der berühmte Prager Drucker Georg Melantrych von Aventin kaufte es
1563 und ließ den reichen Neubau errichten.1 In der ganzen Anlage wie in der Verteilung der Massen

1 Winter, 1. c. p. 267.
 
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