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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0129
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Oskar Pollak.

Prag sich ansässig machten; zweitens wird diese Wahrscheinlichkeit dadurch erhöht, daß der Bauherr
ein bedeutender und bahnbrechender Buchdrucker und Verleger war, in dessen Hände leicht ein
solches Buch gelangt sein kann; das Blatt gefiel ihm und er ließ es sich als Portal an seinem Hause
ausführen. Der Vergleich der beiden Werke, des Portals und des Stiches, zeigt in der Tat, abgesehen
von der Verbreiterung der Proportionen, die nun einmal für Prag die Regel war, die frappanteste
Übereinstimmung der Gesamtkomposition und der wichtigsten Profile. Freilich fehlt am Prager Portal
der reiche plastische Schmuck der Vorlage: die Säulen sind glatt, die Archivolten sind nicht ornamen-

Fig. 39. St. Salvatorkirche (Altstadt), Inneres gegen den Chor (Weitwinkelaufnahme).

tiert, der Triglyphenschmuck ist über den ganzen Fries durchgeführt. Aber all diese Veränderungen
sind geringfügig gegenüber der Ubereinstimmung der Gesamtkomposition, der Durchbildung der Säulen,
an deren Hals nicht einmal die Zierrosetten fehlen, der Proportionierung und Profilierung des Gebälkes,
was alles es nur zur Wahrscheinlichkeit macht, daß der Meister des Prager Baues dieses Blatt gut kannte.
Im Grunde spricht sich hier nur dasselbe Streben aus, das wir seit den vierziger Jahren an Prager
Bauten überall wahrgenommen haben: italienische Formen an allen erreichbaren Quellen aufzusuchen
und sie auch mit einer gewissen naiven Skrupellosigkeit zu verwenden. Für Prag und wahrscheinlich
auch für ganz Osterreich und Süddeutschland gilt jene Ansicht nicht, die man noch in allerneuesten
Arbeiten lesen kann, die nordischen Renaissancearchitekten hätten zwar die zeitgenössischen Architektur-
bücher gekannt, sie aber nie benützt. Man muß im Gegenteil über die naive Selbstverständlichkeit
 
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