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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0132
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Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520— 1600.

Fassade ganz zweifellos mit einer Anlehnung an gleichzeitige oberitalienische, genauer palladianische
Bauten zu tun. Woher dem deutschen Meister die Kenntnis dieses Stiles kam, wissen wir nicht; ob er
die Zeit seiner zeitweiligen Entlassung aus kaiserlichen Diensten vom Sommer 1565 bis zum Frühjahr
1567 1 zu einer Studienreise nach Italien benützt hat, ist unbekannt. Auch eine irgendwie ähnliche
Zeichnung in einem der damals erschienenen Architekturwerke, an die er sich hätte anlehnen können,
habe ich nicht gefunden, außer Details, wie z. B. die Zeichnung eines Gebälkes im Vitruv des Daniele
Barbaro (Venetia 1556 und andere spätere Ausgaben). Bevor diese Zweifel gelöst sind, stehen wir vor
dem Rätsel, daß ein deutscher und offenbar nicht einmal in Italien geschulter Baumeister einen Bau
errichtet, der der genau gleichzeitig sich in Italien entwickelnden Stilstufe entspricht. Daß er übrigens

Fig. 42. St. Salvatorische, Blick in die Vierung vom rechten Seitenschiff aus
(Weitwinkelaufnahme).

diesen Stil nicht von innen heraus kannte und verstand, beweisen einige Unebenheiten, die sich aus
der mangelnden Anschauung verstehen lassen: so die einem italienischen Baumeister sicherlich pein-
liche Ecklösung (Fig. 33), indem das jonische Kapital einfach um 900 gedreht wird, ferner die klein-
lichen, in diese Monumentalordnung nicht recht passenden Konsolen unter dem Gebälk inmitten der
Interkolumnien u. a. m. Lokaler Gewohnheit verdankt die Fassade auch ihren prachtvollen Schmuck
durch überaus reizvolle und geschmackvolle Sgraffiten, die in figürlichen, allegorischen und ornamen-
talen Kompositionen die Außenseite der Wand bedecken. Leider ist die heutige Verwendung des Ge-
bäudes als militärisches Magazin seiner Bedeutung nicht gerade angemessen und auch der Erhaltungs-
zustand der kostbaren Sgraffiten läßt stellenweise sehr viel zu wünschen übrig. Da der vollständig
erhaltenen Fassaden mit dieser Dekoration so überaus wenige sind, sollte man das Wenige mit Aufwen-
dung aller Mittel schützen und erhalten.

1 Reg. 7991, 8007, 8116, 8o23.
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