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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0139
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132

Oskar Pollak.

die Kapelle über einem länglichen Zehneck errichtet, innen und außen mit halbrund geschlossenen
Nischen geziert, mit einer ellipsoiden Schale mit Rippen eingewölbt und von einem spitz zulaufenden
Zeltdach bedeckt. Das Außere scheint bis zum Schluß seine originale Form beibehalten zu haben,
während die Stukkaturen im Innern1 der ersten Renovierung des Jahres 1637 anzugehören scheinen.
Das Außere mit der einzigen Ordnung von Pilastern und den in Nischen aufgelösten Zwischenwänden
erinnert auffallend an das Fassadensystem Wolmuts am Ballhaus (Taf. XIII). Austalis war also vielleicht
nicht nur Wolmuts Gehilfe sondern auch sein Schüler; jedenfalls dürfte ein solcher Fall des Abhängig-
keitsverhältnisses eines Italieners
von einem Deutschen nicht sehr
häufig sein.

Sehr beachtenswert scheint,
soweit sich aus der kleinen Zeich-
nung schließen läßt, das Portal
dieses Baues (Fig. 36) gewesen zu
sein. Jedenfalls war dieser Typus,
der eine Frührenaissancereminis-
zenz des Meisters aus seiner ober-
italienischen Heimat zu sein scheint,
für Prag neu, besonders die mit
Rahmen und Kreisscheiben ver-
zierten Pilaster und die ähnlich
geschmückten, den Torbogen um-
schließenden Quadratsegmente dar-
über. Auffallend für Prag ist auch
das gestreckte Verhältnis von Höhe
zu Breite. Die Bekrönung des Gan-
zen durch das von zwei Voluten-
konsolen getragene gerade Gesims,
das mit der Türumrahmung eine
schmale Sopraporte einschließt,
hatte der Meister an den Belvedere-
fenstern vor Augen. Von ebendort-
her hatte er auch die Form der In-
schrifttafel abgesehen (sie trug das
Datum 1575), die beiderseits in drei
wie aus Blech ausgestanzte Zungen
endet. Eigene Zutat ist nur die
elliptische Bekrönung des ganzen

Portals. Der wenig geistvolle Meister hat, wie wir sehen werden, diese Art der Türbekrönung samt der
merkwürdigen Inschrifttafel mit Vorliebe bis in sein spätestes Alter angewandt.

Der größte und bedeutendste kirchliche Renaissancebau, der im XVI. Jahrhundert in Prag und in
Österreich überhaupt entstand, ist die St. Salvatorkirche, die die Prager Jesuiten mit reichlicher Unter-
stützung des Kaisers und der katholischen Adeligen bei ihrem Altstädter Kollegienhause erbauten. Uber
die Geschichte dieses Baues sind wir durch die offenbar auf aktenmäßiger Grundlage basierten Angaben
in Schmidls « Historia Societatis Jesu Provinciae Bohemicae> (Pragae 1747) sehr gut informiert: am
ig. Juni 1578 begann der Bau;3 im Jahre 1580 war der Chor mit dem Presbyterium zum größten Teile

Fig. 49. Schlüßblatt des IV. Libro der Architettura des Serlio.2

1 Ebenda, Fig. l3i.

3 Das gleiche Schlußblatt hat schon die Ausgabe von 1540.

3 Schmidl, I.e. L, pag. 421.
 
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