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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0143
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i36

Oskar Pollak.

die von glatten Kompositpilastern ihren Ausgang nehmen; die Emporen dagegen sind, gleichwie bei
St. Michael in München, mit Quertonnen eingewölbt, die dem Hauptgewölbe als Widerlager dienen.

Auch für die Gewölbedekorationen wird man St. Michael als Vergleichsobjekt heranziehen müssen:
ist diese Kirche doch fast genau gleichzeitig (1583—1597) entstanden.1 Wir sehen denn auch bei St. Sal-

vator die gleiche Einteilung der Gurtbänder (am Mittel-
schiffgewölbe, an den Laibungen der Seitenschiffs- und
der Emporenbogen) in rechteckige, halbrund abschlie-
ßende, kreisrunde Felder, die von Perlstäben oder Blatt-
kymatien eingerahmt sind (vgl. Fig. 3g, 40). Gleichfalls
ähnlich gebildet sind die großen rechteckigen, mit ge-
brochenen Ecken und Rosetten versehenen Gewölbspiegel
des Mittelschiffes und der Emporentonnen. Diese Stuk-
katuren des Langhauses und des Chores gehören also der
ersten, respektive zweiten Bauperiode, das ist den Jahren
1583 (für den Chor) und 1601—1602 (für das Langhaus)
an. Im Jahre i638 ging man aber daran, die Kirche
reicher auszuschmücken, und gab dem Architekten Carlo
Lurago einen diesbezüglichen Auftrag.2 Auch von einer
baulichen Umgestaltung der Kirche ist die Rede. 1640
war diese Renovierung vom Chor «bis zum Beginn des
Schiffes» vollendet und wurde durch den Einbruch neuer
kriegerischer Wirren unterbrochen («Denique totum
templi presbyterium usque ad navem corrigendum, refor-
mandum et opere plastico ad hodiernam symmetriam
exornandum Carolo Lurago, celebri architecto, pro 900
Rhenensibus commissum. Stetit totum opus tertiö post
anno 1640 absolutum; quod vero ultra navem templi nova
haec structura non processerit, impedimento fuit recrit-
descens in Bohemia bellum»). Die Deutung dieser an-
gezogenen Stelle ist für die Baugeschichte der Kirche
sehr wichtig. Die stilkritische Prüfung ergibt folgende
Resultate: Die Stukkaturarbeiten Luragos («.opus plasti-
cum») im Chor beschränken sich auf die Cherubimköpfe
und Fruchtgirlanden, die in den Obermauern zwischen
den Emporenbogen und den Gewölbekappen angebracht
sind (Fig. 41). Unter dem «Presbyterium», das in jenen
drei Jahren «verbessert und umgestaltet» wurde, kann
man nichts anderes verstehen als den vor dem Chor be-
findlichen Raum und das ist der Vierungsraum. In der
Tat ist denn auch die architektonische Behandlung dieses
Vierungsraumes eine derartige, daß sie unbedingt nicht
dem ursprünglichen Bauentwurfe angehören kann: die
Art, wie die mit Kreuzgewölben bedeckten Seitenschiff-
traveen bei den Vierungspfeilern aussetzen und wie über
dem entstehenden freien Raum die Empore in weit ausholendem Bogen zurückweicht, ist bereits ganz
barock empfunden (Fig. 42). Dafür, daß dieser Teil tatsächlich erst in jener Zeit in jener Form umgebaut

Fig. 54. Teinkirche,
Epitaph des Wenzel Berka v. Dauba.

1 Abbildung bei Bezold, Fig. Il£

2 Schmidl, 1. c. IV/1, p. 448 ff.
 
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