Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1320—1600.
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denken versucht ist, dieser oder ein ähnlicher hätte dem Prager Meister als Vorbild gedient. Schon die
Profilierung des Sarkophagbauches über dem vollen senkrechten Fußsockel stimmt überein.
Besonders auffallend ist die hier übernommene Gewohnheit Vredemans, Bauglieder, die weder mit
einer Säule noch mit einem Pilaster etwas zu tun haben, mit jonischen Kapitälvoluten zu bekrönen; man
findet das nicht nur in dem eben genannten Grabmalbuch sondern auch in seinem Lehrbuch der Archi-
tektur, wo er besonders Konsolen mit diesem Aufsatz zu schmücken liebt (vgl. Fig. 60).
Es ist übrigens gar nicht zu verwundern, daß der italienische Einfluß in jenen Jahren sich zugunsten
des niederländischen zu vermindern begann; denn seit den sechziger Jahren überschwemmte der Ant-
werpener Verleger und Kupferstecher Cock den Markt mit einer unübersehbaren Zahl von architektoni-
schen und ornamentalen Kupferwerken, deren Entwürfe meist Vredeman geliefert hatte. Und da gerade
Fig. 64. Kohlmarkt, Portal zum «Alten Gericht».
damals in Italien auf diesem Gebiete verhältnismäßig wenig geleistet wurde — wenigstens quantitativ
wenig —, so wurde die ohnehin vorhandene nach Norden strebende Tendenz durch dieses rein äußer-
lich kommerzielle Faktum stark unterstützt.
Ein wahres Musterbeispiel dieses vom Norden aus so eifrig propagierten neuen Stils in seiner Auf-
nahme durch heimische Künstler ist das große Marmorepitaph für den 1569 gestorbenen Herrn Johann
Popel von Lobkowitz, hoch oben an der Wand der Lobkowitzschen Kapelle im Dom aufgehängt
(Figg. 58 und 59). Glücklicherweise hat sich der Kontrakt erhalten, den der kaiserliche Rat und Kämmerer
Georg von Lobkowitz am 27. Februar 1581 wegen Errichtung dieses Grabmales mit Vincenz Strassi-
ryba, Steinmetz aus der Stadt Laun, abschloß.1 Wir wissen auch, daß Strassiryba selbst durch den
Tod an der Vollendung des Werkes verhindert wurde und daß dessen Schwester, die Steinmetzin Do-
rothea, es vor dem Jahre 1594 zu Ende brachte.2 Es ist eines jener großen mehrstöckigen Epitaphien,
wie wir sie in ganz Deutschland antreffen. Der Aufbau ist, ähnlich dem eines Altares, in Predella,
1 Reg. 8212.
2 Reg. 8285.
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denken versucht ist, dieser oder ein ähnlicher hätte dem Prager Meister als Vorbild gedient. Schon die
Profilierung des Sarkophagbauches über dem vollen senkrechten Fußsockel stimmt überein.
Besonders auffallend ist die hier übernommene Gewohnheit Vredemans, Bauglieder, die weder mit
einer Säule noch mit einem Pilaster etwas zu tun haben, mit jonischen Kapitälvoluten zu bekrönen; man
findet das nicht nur in dem eben genannten Grabmalbuch sondern auch in seinem Lehrbuch der Archi-
tektur, wo er besonders Konsolen mit diesem Aufsatz zu schmücken liebt (vgl. Fig. 60).
Es ist übrigens gar nicht zu verwundern, daß der italienische Einfluß in jenen Jahren sich zugunsten
des niederländischen zu vermindern begann; denn seit den sechziger Jahren überschwemmte der Ant-
werpener Verleger und Kupferstecher Cock den Markt mit einer unübersehbaren Zahl von architektoni-
schen und ornamentalen Kupferwerken, deren Entwürfe meist Vredeman geliefert hatte. Und da gerade
Fig. 64. Kohlmarkt, Portal zum «Alten Gericht».
damals in Italien auf diesem Gebiete verhältnismäßig wenig geleistet wurde — wenigstens quantitativ
wenig —, so wurde die ohnehin vorhandene nach Norden strebende Tendenz durch dieses rein äußer-
lich kommerzielle Faktum stark unterstützt.
Ein wahres Musterbeispiel dieses vom Norden aus so eifrig propagierten neuen Stils in seiner Auf-
nahme durch heimische Künstler ist das große Marmorepitaph für den 1569 gestorbenen Herrn Johann
Popel von Lobkowitz, hoch oben an der Wand der Lobkowitzschen Kapelle im Dom aufgehängt
(Figg. 58 und 59). Glücklicherweise hat sich der Kontrakt erhalten, den der kaiserliche Rat und Kämmerer
Georg von Lobkowitz am 27. Februar 1581 wegen Errichtung dieses Grabmales mit Vincenz Strassi-
ryba, Steinmetz aus der Stadt Laun, abschloß.1 Wir wissen auch, daß Strassiryba selbst durch den
Tod an der Vollendung des Werkes verhindert wurde und daß dessen Schwester, die Steinmetzin Do-
rothea, es vor dem Jahre 1594 zu Ende brachte.2 Es ist eines jener großen mehrstöckigen Epitaphien,
wie wir sie in ganz Deutschland antreffen. Der Aufbau ist, ähnlich dem eines Altares, in Predella,
1 Reg. 8212.
2 Reg. 8285.