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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0155
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Oskar Pollak.

gleichzeitigen Architektur das Auftreten barocker Empfindung konstatiert haben und konstatieren wer-
den, so auch in der gleichzeitigen Plastik. Bei beiden tritt um diese Zeit die gleiche Emanzipation von
Licht und Schatten auf zum Zwecke markanter Hervorhebung und Betonung wichtiger und bedeuten-
der Teile auf Kosten der anderen, jene Sprengung des Renaissancegesetzes harmonischer Koordination
zugunsten einer wirkungsvolleren Subordination, die sich im folgenden Jahrhundert zur unerbitt-
lichen Unterjochung eines Ganzen unter ein dominierendes Motiv steigert.

In der bildnerischen Ausschmückung des
oberen Aufsatzes können wir ähnliche Be-
trachtungen anstellen. Dargestellt ist in einem
Relief die Auferstehung des Herrn. Rechts und
links von diesem Relief sind zwei Nischen (mit
Muschelschalen eingewölbt!) eingetieft, vor
denen links Petrus, rechts Paulus steht. Aber
diese Figuren sind mit dem ihnen angewie-
senen Raum nicht zufrieden, sie stehen nicht
innerhalb der Nischen sondern weit davor und
überschneiden mit ihren Armen beträchtlich
das Relief.

Mit diesem bildnerischen Schmuck ist
aber das dekorative Programm dieses Grabmales
noch lange nicht erschöpft. Kaum eine Ecke
ist in ihrer harten Knickung stehen geblieben;
überall wird der Umriß durch eingelegte Drei-
ecksflächen, deren Konturen von Lebendigkeit
sprühen, zur Rundung geführt. Voluten, Kreis-
kurven, gerade Linien wechseln in tollster
Folge. Und diese Füllflächen selbst sind be-
deckt mit Beschlägwerk, mit Maskarons und
Engelsköpfchen, mit leichten Volutenranken;
Troddeln baumeln herab. Die Kartusche in
der Predella zwischen den beiden Volutenkon-
solen sowie die im Hängedreieck, die aus zwei
übereinanderliegenden, sich durchdringenden
und sich gegeneinander aufrollenden Platten
gebildet ist, die hängenden Fruchtgirlanden,
das Engelchen mit dem Totenkopf (Fig. 59)
sind Motive und Formen, die aufs engste mit
denen am Mausoleum im Dom (vgl. Fig. 48 und
die Details bei Podlaha-Hilbert) und am Epitaph des Zasius (Fig. 53) zusammenhängen. An dem zuletzt
genannten Werke fanden wir auch jene Damaszierung des Marmorgrundes, wie wir sie hier am Lob-
kowitzepitaph in ausgedehntem Maße am Rahmen des Auferstehungsreliefs, an den äußersten Enden des
Hängedreiecks und vor allem an den Vorderflächen der beiden Volutenkonsolen (Fig. 59) wiederfinden.
Nur ist das Muster dieser Damaszierung nicht mehr der italienischen Formenwelt entlehnt sondern in
jenen Formen des Beschlägwerkes gehalten, wie sie die Niederländer nach Prag gebracht hatten. Ich
wähle auf Fig. 60 aus vielen Beispielen eine Konsole aus dem ersten Buche des 1565 erschienenen Säulen-
buches («Architettura») des Jan Vredeman de Fries1 aus, die deshalb besonders interessant ist, weil sie

1 Der volle Titel lautet: «Johann Vredeman de Friese, das erst Buch, gemacht aurt' die zwey Colonnen Dorica und

Jonica,......ausgegangen bei Hieronymo Cock, Maler zu Antorff, 1565.» Kupferstich, Folio. Unsere Abbildung findet

sich auf Blatt D.

Fig. 67. Landtagsgasse, Haus «Zum goldenen Schwan».
 
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