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Oskar Pollak.
Portal in Prag, das eine solche Formenfülle aufweist. Es steckt noch etwas von der Phantasie romani-
scher Steinmetzen darin, die ganze Fassaden mit ihren reichen und mannigfachen Gebilden überspannen.
Und gerade in diesem naiven Ausbruche nordischer Zierlust liegt das Anziehende dieses Portales; leider
nur allzu selten haben die Prager Meister
diesen Mut des Verstoßens gegen die ge-
heiligten Regeln Vitruvs gefunden.
Von der übrigen Fassade des Bären-
hauses hat ein späterer Umbau außer dem
Portale keine Spur zurückgelassen. Dafür
aber ist der zweistöckige Hof noch voll-
ständig erhalten (Fig. 66) und beweist
ebenfalls, daß der Erbauer des Hauses ein
eigenartiger Meister gewesen sein muß. Die
eine Seite dieses Hofes zeigt zwei über-
einandergestellte Arkaden auf kurzen Pfei-
lern mit vorgelegten, im ersten Stocke
dorischen, im zweiten jonischen Halbsäu-
len. Jene luftigen Frührenaissancearkaden
des Teinhofes und des Melantrychhauses
(vgl.Fig. 26 und Taf.XI) aus den sechziger
Jahren gefielen also nicht mehr. Uber den
Halbsäulen verkröpft sich das Gebälk; auch
die Säulensockel treten naturgemäß vor die
Brüstung vor. Die dorischen Halbsäulen
des ersten Stockes zeigen schon Rustika-
bänder, eine Form, die in den Architektur-
büchern seitSerlio in unzähligen Varianten
verwendet war, aber immer als logische
Fesselung der Säule an den Untergrund;
hier ist nur die Form geblieben ohne den
symbolischen Sinn. In Prag treten sie erst
um jene Zeit auf und wir werden sie an
Portalen wiederfinden.
Wie sich der Erbauer dieses Hauses
schon am Portale die größten Freiheiten in
der Verwendung italienischer Bauformen
gestattete, so tat er es eben auch im Hofe.
Schon die ganze Anlage ist höchst ma-
lerisch-frei: die zweite Hofseite, deren Ar-
kaden übrigens auf kurzen glatten Säulen
ruhen, stößt mitten auf die Bogenöffnung
der daranschließenden Pfeilerarkaden auf;
runnens. nach der ganzen Anlage des Hauses er-
scheint es aber ausgeschlossen, daß diese
scheinbare Verlegenheitslösung einem späteren Umbaue zuzuschreiben wäre. Endlich ist auch die Art
der Verwendung der Triglyphen im Friese der dorischen Arkadenordnung bezeichnend. Sie sind zum
bloßen Ornament geworden: je eine sitzt über den Säulen und über dem Schlußstein des Bogens.
Wenn uns beim Bärenhause die Fassade nicht erhalten ist, so kann uns vielleicht das Haus «zum
goldenen Schwan» am Fünfkirchenplatz (Nr. Göns. III/165, Fig. 67) eine Vorstellung vom damaligen
Fig. 75. Prag, städtisches Museum, Reste des Krozinb
Oskar Pollak.
Portal in Prag, das eine solche Formenfülle aufweist. Es steckt noch etwas von der Phantasie romani-
scher Steinmetzen darin, die ganze Fassaden mit ihren reichen und mannigfachen Gebilden überspannen.
Und gerade in diesem naiven Ausbruche nordischer Zierlust liegt das Anziehende dieses Portales; leider
nur allzu selten haben die Prager Meister
diesen Mut des Verstoßens gegen die ge-
heiligten Regeln Vitruvs gefunden.
Von der übrigen Fassade des Bären-
hauses hat ein späterer Umbau außer dem
Portale keine Spur zurückgelassen. Dafür
aber ist der zweistöckige Hof noch voll-
ständig erhalten (Fig. 66) und beweist
ebenfalls, daß der Erbauer des Hauses ein
eigenartiger Meister gewesen sein muß. Die
eine Seite dieses Hofes zeigt zwei über-
einandergestellte Arkaden auf kurzen Pfei-
lern mit vorgelegten, im ersten Stocke
dorischen, im zweiten jonischen Halbsäu-
len. Jene luftigen Frührenaissancearkaden
des Teinhofes und des Melantrychhauses
(vgl.Fig. 26 und Taf.XI) aus den sechziger
Jahren gefielen also nicht mehr. Uber den
Halbsäulen verkröpft sich das Gebälk; auch
die Säulensockel treten naturgemäß vor die
Brüstung vor. Die dorischen Halbsäulen
des ersten Stockes zeigen schon Rustika-
bänder, eine Form, die in den Architektur-
büchern seitSerlio in unzähligen Varianten
verwendet war, aber immer als logische
Fesselung der Säule an den Untergrund;
hier ist nur die Form geblieben ohne den
symbolischen Sinn. In Prag treten sie erst
um jene Zeit auf und wir werden sie an
Portalen wiederfinden.
Wie sich der Erbauer dieses Hauses
schon am Portale die größten Freiheiten in
der Verwendung italienischer Bauformen
gestattete, so tat er es eben auch im Hofe.
Schon die ganze Anlage ist höchst ma-
lerisch-frei: die zweite Hofseite, deren Ar-
kaden übrigens auf kurzen glatten Säulen
ruhen, stößt mitten auf die Bogenöffnung
der daranschließenden Pfeilerarkaden auf;
runnens. nach der ganzen Anlage des Hauses er-
scheint es aber ausgeschlossen, daß diese
scheinbare Verlegenheitslösung einem späteren Umbaue zuzuschreiben wäre. Endlich ist auch die Art
der Verwendung der Triglyphen im Friese der dorischen Arkadenordnung bezeichnend. Sie sind zum
bloßen Ornament geworden: je eine sitzt über den Säulen und über dem Schlußstein des Bogens.
Wenn uns beim Bärenhause die Fassade nicht erhalten ist, so kann uns vielleicht das Haus «zum
goldenen Schwan» am Fünfkirchenplatz (Nr. Göns. III/165, Fig. 67) eine Vorstellung vom damaligen
Fig. 75. Prag, städtisches Museum, Reste des Krozinb