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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0166
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Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520—1600.

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auf unzählige Beispiele in Serlios IV. Buche und in dessen Libro extraordinario berufen (vgl. Fig. 69
und 71). Freilich waren es dort rohe, unbehauene Rustikabänder, die, nach dem Beispiele von Sam-
michelis Festungsportalen, die Säulen oder Pilaster an den rustizierten Grund fesselten. Die konkretisie-
rende und determinierende Phantasie des Nordländers war aber mit dieser Symbolik nicht zufrieden;
dieser leise angedeutete Gedanke mußte präziser, faßlicher ausgedrückt werden. Selbst der klassizistische
Philibert de 1' Orme hatte bei einem ähnlichen Portale1 die Bänder, die über die Säulen gezogen sind,
glatt ausgeführt, wärend der Grund rustiziert ist (Fig. 72). Vredeman und mit ihm der Meister des Prager
Portals bildet sie direkt als Stahlbänder, die sich an den Anheftungsstellen erweitern. Es fehlen nur noch
dieNägel, die durchgeschlagen sind: ein Gedanke, den um diese Zeit ein Deutscher, Wendel Dietterlein,
in den Entwürfen seines Architekturbuches (1593—1598) bis zur letzten Konsequenz durchgeführt hat.

Fig. 78. Prag, städtisches Museum, Reste des Krozinbrunncns.

Vieles, was an diesem Portale auffällt, haben wir schon an früher besprochenen Grabmälern beob-
achtet. Den gesprengten Giebel, zwischen dem sich ein figurierter Aufsatz erhebt, sahen wir beim Epi-
taph des Fräuleins Horak (vgl. Fig. 62). Waren dort Pyramiden auf die Giebelstücke gesetzt, so sind es
hier Figuren, die als Endigung dienen. Auch die eigentümliche Kasteiung des Grundes, vor dem die
Halbsäulen stehen, mittels einer glatteren oder rauheren Behandlung der Marmoroberfläche erinnert uns
an die Damaszierung des Marmorgrundes am Zasiusepitaph (vgl. Fig. 53) und vor allem am Lobkowitz-
grabmal (vgl. Fig. 59). Ebenso hat die große Kartusche über dem Portalfries bei letzterem ihre Ver-
wandten, wie denn auch die Verwendung von Maskarons eine Gepflogenheit ist, die schon bei jenen
Grabmälern im Schwünge war. Und gerade diese Art der Verwendung von Maskarons und ähnlicher
dekorativer Plastik an Portalen ist für Prag neu. In der Zeit der blinden Nachahmung italienischer Vor-
bilder dachte man natürlich nicht an eine solche Belebung. In den achtziger Jahren begannen Wappen-
kartuschen und Rosetten aufzutauchen (vgl. Fig. 44 u. a.). Jetzt erst (vgl. auch das Bärenportal!) begann,

1 Und zwar auf Fol. 239' im VIII. Teile seines «I.e premier tome d'architecturc», Paris 1568.

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