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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0167
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i6o

Oskar Pollak.

wie in spätgotischer Zeit, der Mensch und das Tier wieder seine Rolle als Ausdrucksmittel in der Archi-
tektur zu spielen. Man weiß, welch reichen Gebrauch das deutsche Barock davon gemacht hat.

Den Eindruck, den dieser für Prag neue Stil dort gemacht hat, kann man z. B. am Portal des
Palais Hrzan (Fig. 73) ermessen. Der Meister kennt und schätzt die italienische Portalkunst: das Motiv
des leicht rustizierten Quadergrundes, an den die toskanischen Halbsäulen gefesselt sind, ist, wie wir
hörten, in Vorlagewerken sehr häufig und auch an ausgeführten Werken in Italien selbst nichts weniger
als selten. Freilich ist beim Palais Hrzan der Gedanke der Säulenfesselung nicht konsequent durchgeführt,

Fig. 79. Graben, Hausportal.

da die Bänder mit den Rustikaquadern nicht zusammenhängen; vielmehr erinnern diese Halbsäulen
eher an die mit Rustikaringen verzierten Säulen des Hofes des Hauses «zu zwei Bären» (vgl. Fig. 66).
Die elegante Volute über dem Schlußstein, Architrav und Fries sind nach allen Regeln italienischer Kunst
gearbeitet. Aber schon die Art, wie die mit ausgezackten Rändern versehene Inschrifttafel (vgl. Taf. IX
und Fig. 36,47) über Fries und Architrav angebracht ist, verrät andere Einflüsse. Vollends aber in der Bil-
dung des Aufsatzes mit dem gesprengten, gebogenen und aufgebäumten Giebel, der durch einen Kurven-
ablauf mit dem mittleren sockelartigen Aufsatz verbunden ist, hat sich der Meister vollständig dem neuen
Stile ergeben; auch der Maskaron, eine Medusenmaske unter diesem Mittelaufsatze, fehlt nicht. Man sieht,
wie die italienisierende Richtung sich dem Ansturm des barockempfindenden Nordens langsam ergibt.
 
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