Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520—1600.
167
auch die Hofstallungen1 (neben der Schloßeinfahrt von der Hauptbrücke her) einer der wenigen
Teile der Burg, die den Umbau des XVIII. Jahrhunderts überdauert haben. Das Portal an der Quer-
wand dieser Stallungen (Fig. 83) mit dem oberen, der Türumrahmung und dem dieser Verkröpfung
folgenden äußersten Rahmen, mit seinen schweren Triplyphenkonsolen, die den Giebel tragen, würde
uns im Hinblicke auf seine Entstehungszeit (ca. 1595) in Prag als ein unlösbares Rätsel erscheinen,
wenn wir nicht wüßten, daß italienische Meister die Entwürfe zum Bau in Italien selbst prüften und
besprachen; denn die Formen entsprechen genau den gleichzeitigen italienischen, speziell römischen
Barockformen etwa eines Giacomo della Porta oder eines Ammanati. Und daß die in Prag tätigen italie-
nischen Architekten nicht aus sich
selbst heraus zu dieser Stilstufe ge-
langt waren, beweisen z. B. die zur
Barbarakapelle im Kreuzgang
von St. Thomas auf der Kleinseite
führenden Portale (Fig. 84), die
nach der Inschrift im Jahre 1596
entstanden sind. Aufbau und For-
men sind genau jene, die Ulrich
Austalis de Sala bei seinen Portalen
in den siebziger und achtziger Jah-
ren verwendete und die im Grunde
keinen großen Fortschritt über die
Portale und Fenster des Belvedere-
baues hinaus bedeuten. Man sieht
hier so recht das Werk eines Meis-
ters, der den Anschluß an die neue
Generation versäumt hat. Und daß
auch noch am Beginn des neuen
Jahrhunderts recht konservative
Werke im Vergleiche zu den vor-
her besprochenen entstehen konn-
ten, zeigt das Beispiel des Haupt-
portales der Salvatorkirche
(Fig. 85), das nach der Inschrift
auf dem Täfelchen über dem Tür-
bogen: «Jesu Christo Mundi Sal-
vatori MDCfa im ersten Jahre des neuen Jahrhunderts entstand. Die strenge Ädikula auf den kanne-
lierten, mit einer Trommel versehenen jonischen Säulen mit dem diamantquader-geschmückten Sockel
(die Kartusche im Giebel stammt aus dem Ende des XVII. Jahrhunderts) ist offenbar das Werk eines
jener heimischen Meister, die sich italienische Formen soweit zueigen gemacht hatten, daß sie sie mit
großer Sicherheit und Eleganz zu verwenden wußten und das schwer errungene Gut nicht gerne preis-
gaben. In der Empfindung steht dieses Portal dem Grabmal des Georg von Lobkowitz (vgl. Fig. 74)
sehr nahe und es ist nicht ausgeschlossen, daß ein und derselbe Künstler beide Werke verfertigt hat.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf ein anderes Portal verwiesen, das ebenfalls um die Wende
des Jahrhunderts entstanden ist und das zeigt, wie stark noch um diese Zeit der Einfluß der früher so
gern benützten Lehrbücher war. Es ist das Portal des ehemaligen «Sachsenhauses», heute des
«Hauses zum Steinitz» in der Brückengasse (Fig. 86). Das genaue Erbauungsdatum des Hauses ist
Fig. 86. Brückengassc, Portal des Steinitzhauses.
1 Die Angabe Ruths (1. c. I, 279), die Hofstallungen seien im Jahre 1601 durch den Baumeister Horatius Fontana
de Brusato erbaut worden, ist irrtümlich.
22*
167
auch die Hofstallungen1 (neben der Schloßeinfahrt von der Hauptbrücke her) einer der wenigen
Teile der Burg, die den Umbau des XVIII. Jahrhunderts überdauert haben. Das Portal an der Quer-
wand dieser Stallungen (Fig. 83) mit dem oberen, der Türumrahmung und dem dieser Verkröpfung
folgenden äußersten Rahmen, mit seinen schweren Triplyphenkonsolen, die den Giebel tragen, würde
uns im Hinblicke auf seine Entstehungszeit (ca. 1595) in Prag als ein unlösbares Rätsel erscheinen,
wenn wir nicht wüßten, daß italienische Meister die Entwürfe zum Bau in Italien selbst prüften und
besprachen; denn die Formen entsprechen genau den gleichzeitigen italienischen, speziell römischen
Barockformen etwa eines Giacomo della Porta oder eines Ammanati. Und daß die in Prag tätigen italie-
nischen Architekten nicht aus sich
selbst heraus zu dieser Stilstufe ge-
langt waren, beweisen z. B. die zur
Barbarakapelle im Kreuzgang
von St. Thomas auf der Kleinseite
führenden Portale (Fig. 84), die
nach der Inschrift im Jahre 1596
entstanden sind. Aufbau und For-
men sind genau jene, die Ulrich
Austalis de Sala bei seinen Portalen
in den siebziger und achtziger Jah-
ren verwendete und die im Grunde
keinen großen Fortschritt über die
Portale und Fenster des Belvedere-
baues hinaus bedeuten. Man sieht
hier so recht das Werk eines Meis-
ters, der den Anschluß an die neue
Generation versäumt hat. Und daß
auch noch am Beginn des neuen
Jahrhunderts recht konservative
Werke im Vergleiche zu den vor-
her besprochenen entstehen konn-
ten, zeigt das Beispiel des Haupt-
portales der Salvatorkirche
(Fig. 85), das nach der Inschrift
auf dem Täfelchen über dem Tür-
bogen: «Jesu Christo Mundi Sal-
vatori MDCfa im ersten Jahre des neuen Jahrhunderts entstand. Die strenge Ädikula auf den kanne-
lierten, mit einer Trommel versehenen jonischen Säulen mit dem diamantquader-geschmückten Sockel
(die Kartusche im Giebel stammt aus dem Ende des XVII. Jahrhunderts) ist offenbar das Werk eines
jener heimischen Meister, die sich italienische Formen soweit zueigen gemacht hatten, daß sie sie mit
großer Sicherheit und Eleganz zu verwenden wußten und das schwer errungene Gut nicht gerne preis-
gaben. In der Empfindung steht dieses Portal dem Grabmal des Georg von Lobkowitz (vgl. Fig. 74)
sehr nahe und es ist nicht ausgeschlossen, daß ein und derselbe Künstler beide Werke verfertigt hat.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf ein anderes Portal verwiesen, das ebenfalls um die Wende
des Jahrhunderts entstanden ist und das zeigt, wie stark noch um diese Zeit der Einfluß der früher so
gern benützten Lehrbücher war. Es ist das Portal des ehemaligen «Sachsenhauses», heute des
«Hauses zum Steinitz» in der Brückengasse (Fig. 86). Das genaue Erbauungsdatum des Hauses ist
Fig. 86. Brückengassc, Portal des Steinitzhauses.
1 Die Angabe Ruths (1. c. I, 279), die Hofstallungen seien im Jahre 1601 durch den Baumeister Horatius Fontana
de Brusato erbaut worden, ist irrtümlich.
22*