Julius v. Schlosser.
fähre Vorstellung gewinnen, wie es bei den Servi in Florenz ausgesehen hat (Figg. 22 und 23). Dort
sind die Wände des Hauptschiffes noch heute angefüllt mit lebensgroßen Votivbildern aller Art, von
Personen aller Stände, zum Teil in recht gruseligen Situationen. Es sind aber durchaus Figuren aus
Papiermache von geringem Kunstwert und aus ziemlich später Zeit. Immerhin sollen sich, wie aus einer
von Blondel1 abgedruckten Relation des Rektors der Kirche, D. Francesco Mori, hervorgeht, dort auch
Porträtstatuen Karls V., Philipps II. von Spanien, Papst Pius IL, des Connetable von Bourbon befinden.
Sie sind, wie aus den beiden hier
mitgeteilten Proben hervorgeht,
recht phantastisch und erheben
kaum irgend einen Anspruch auf
Porträttreue (Figg. 24 u. 25).
In einer fränkischen Wall-
fahrtskirche des Bamberger Spren-
geis, Vierzehnheiligen bei Lichten-
fels, hat sich endlich die Tradition
bis auf unsere Tage erhalten. Dort
werden noch heute lebensgroße be-
kleidete Wachsfiguren geopfert.2
Die hier beigegebene Abbildung
(Fig. 26) zeigt, daß es sich wirklich
um ein modernes Seitenstück zu
der alten Annunziatenkirche han-
delt; die Votive, die bis in die
jüngste Gegenwart herabreichen,
sind zum Teil recht sorgfältig unter
peinlicher Wahrung des Porträt-
charakters gemacht, anderegeringer
und puppenhaft.
Die Anfertigung dieser Wachs-
bilder war auch in Florenz wie
anderwärts einem eigenen Gewerbe,
den Cerajuoli, auch «Fallimagini»
genannt, überlassen. Von ihren
Werkstätten bei Orsanmichele und
bei den Servi war schon die Rede.
In späterer Zeit haben dieServiten-
brüder selbst sich nicht selten an diesem Handwerk beteiligt, vor allem auch als Industrielle. Ein merk-
würdiges Dokument ist der Vertrag, den der Vikar Antonio da Bologna 1481 mit Archangelo ciraiuolo
über die Ausführung der Boti abschließt; Warburg hat ihn aus dem Florentiner Staatsarchiv mitgeteilt.
Das Kloster der Servi erscheint direkt als Unternehmer, liefert das Wachs, aber nicht die Farben und
das (natürliche) Haar und die «Armadure», die der Cerajuolo beizustellen hat, der dafür seinen fest-
gesetzten Arbeitslohn erhält.3
Fig. 29. Büste Tassos
(Rom, S. Onolrio).
1 Gazette des beaux arts XXVI, 265.
2 Andree, a.a.O., S. 96: «Männer und Weiber, Soldaten und Bürgerliche stehen da in zwei Seitenkapellen in Glas-
kästen umher, wie die Wachsfiguren in einem Panoptikum.».
3 A. a. O., 3o: «Richordo chome in questo di l3 de zugno 1481 M°. Archangelo ciraiolo di Zoane d'Antonio da
Firenze promette a me M°. Antonio da Bologna vicario del convento del' Annunziata di Firenze tute le volte che io voro fare
ymagine de cera grande al naturale nel modo e forma che in questo ricordo se contiene. In prima ch' el deto M°. Archan-
fähre Vorstellung gewinnen, wie es bei den Servi in Florenz ausgesehen hat (Figg. 22 und 23). Dort
sind die Wände des Hauptschiffes noch heute angefüllt mit lebensgroßen Votivbildern aller Art, von
Personen aller Stände, zum Teil in recht gruseligen Situationen. Es sind aber durchaus Figuren aus
Papiermache von geringem Kunstwert und aus ziemlich später Zeit. Immerhin sollen sich, wie aus einer
von Blondel1 abgedruckten Relation des Rektors der Kirche, D. Francesco Mori, hervorgeht, dort auch
Porträtstatuen Karls V., Philipps II. von Spanien, Papst Pius IL, des Connetable von Bourbon befinden.
Sie sind, wie aus den beiden hier
mitgeteilten Proben hervorgeht,
recht phantastisch und erheben
kaum irgend einen Anspruch auf
Porträttreue (Figg. 24 u. 25).
In einer fränkischen Wall-
fahrtskirche des Bamberger Spren-
geis, Vierzehnheiligen bei Lichten-
fels, hat sich endlich die Tradition
bis auf unsere Tage erhalten. Dort
werden noch heute lebensgroße be-
kleidete Wachsfiguren geopfert.2
Die hier beigegebene Abbildung
(Fig. 26) zeigt, daß es sich wirklich
um ein modernes Seitenstück zu
der alten Annunziatenkirche han-
delt; die Votive, die bis in die
jüngste Gegenwart herabreichen,
sind zum Teil recht sorgfältig unter
peinlicher Wahrung des Porträt-
charakters gemacht, anderegeringer
und puppenhaft.
Die Anfertigung dieser Wachs-
bilder war auch in Florenz wie
anderwärts einem eigenen Gewerbe,
den Cerajuoli, auch «Fallimagini»
genannt, überlassen. Von ihren
Werkstätten bei Orsanmichele und
bei den Servi war schon die Rede.
In späterer Zeit haben dieServiten-
brüder selbst sich nicht selten an diesem Handwerk beteiligt, vor allem auch als Industrielle. Ein merk-
würdiges Dokument ist der Vertrag, den der Vikar Antonio da Bologna 1481 mit Archangelo ciraiuolo
über die Ausführung der Boti abschließt; Warburg hat ihn aus dem Florentiner Staatsarchiv mitgeteilt.
Das Kloster der Servi erscheint direkt als Unternehmer, liefert das Wachs, aber nicht die Farben und
das (natürliche) Haar und die «Armadure», die der Cerajuolo beizustellen hat, der dafür seinen fest-
gesetzten Arbeitslohn erhält.3
Fig. 29. Büste Tassos
(Rom, S. Onolrio).
1 Gazette des beaux arts XXVI, 265.
2 Andree, a.a.O., S. 96: «Männer und Weiber, Soldaten und Bürgerliche stehen da in zwei Seitenkapellen in Glas-
kästen umher, wie die Wachsfiguren in einem Panoptikum.».
3 A. a. O., 3o: «Richordo chome in questo di l3 de zugno 1481 M°. Archangelo ciraiolo di Zoane d'Antonio da
Firenze promette a me M°. Antonio da Bologna vicario del convento del' Annunziata di Firenze tute le volte che io voro fare
ymagine de cera grande al naturale nel modo e forma che in questo ricordo se contiene. In prima ch' el deto M°. Archan-