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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs: Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0241
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Julius v. Schlosser.

gegen dergleichen Angriffe warm verteidigt: « Pour les beaux et surprenants portraits en cire de M. Benoist,
je dis encore, que ci-ceux qui ont pretendu le me'priser en avoient vu, comme moi, ä qui il a donne
l'air de la vie par une gaiete souriante, ils n'auraient peut-etre pas ete si prompts ä declamer contre
une si belle invention.»1

Hier ist schon von dem Bildnis eines Privatmannes die Rede; in der Tat sind diesen Herrscher-
bildern die Büsten geistig oder sozial hervorragender Männer anzureihen, die freilich in viel geringerer

Zahl vorhanden sind.

Als Beispiel führen wir die
im Museo Civico zu Faenza be-
wahrte Wachsbüste eines berühm-
ten Bürgers dieser Stadt an, des
Dominikaner-Architekten Fra Do-
menico Paganelli, der die von
P. P. Jacometti gegossene Fontana
publica auf dem Hauptplatz der
Stadt entworfen hat (1621). Auch
sie ist ohne Zweifel unter Be-
nützung einer Totenmaske her-
gestellt; die alt zugehörige Kapuze
ist jetzt erneuert (Fig. 41).

Ein Beispiel, das sich da-
gegen durchaus, schon der Lebens-
stellung des Dargestellten nach,
den fürstlichen Bildnissen an-
schließt, bewahrt die Sakristei
der einstigen Schloßkapelle (jetzt
Pfarrkirche) in Breitenfurt bei
^^J^^^ÖJIH Wien (Taf. XXII!, XXIV).2 Es ist

eine mit außerordentlicher Künst-
lerschaft ausgeführte Wachsbüste,
vielleicht die hervorragendste ihrer
Art, das Porträt eines reichen
Emporkömmlings, Georg Wil-
helm von Kirchner, kaiserlichen
Hofbuchhalters (1670—1735); Ilg
glaubte sie, freilich aus ganz äußer-
lichen Gründen und der Lokal-
tradition folgend, keinem Geringeren als G. R. Donner zuschreiben zu können. Der Mann, über dessen
Lebensschicksalen ein romantisches Dunkel schwebt, der, wiewohl zu Unrecht, als natürlicher Sohn
Karls VI. galt, möglicherweise aber ein illegitimer Halbbruder dieses Herrschers war, hat eine wahrhaft
fürstliche Mäcenatentätigkeit entfaltet, den prunkvollen Barockbau des heute verschwundenen Schlosses
Breitenfurt mit ungewöhnlichen Mitteln aufgeführt und für dieses auch die imposante große Marmor-
gruppe Karls VI. von Donners Hand (1734, jetzt im Belvedere) bestellt. Die mit natürlicher Perücke
sowie Stoffen und Spitzen (die indessen aus einer Restauration der sechziger Jahre stammen) bekleidete
Büste, die ihn als älteren Mann zeigt und eine der denkwürdigsten Leistungen der österreichischen

Fig. 40.

A. Benoist, Ludwig XIV.
(Versailles).

1 Blondel, a. a. O., 481.

2 Ihre erste Erwähnung findet man in einem Aufsatze Ilgs über Schloß Breitenfurt in den Mitteilungen der Zentral-
kommission, N. F. XIII (1887), XXVI ff. Herr Skriptor A.Trost hatte die Liebenswürdigkeit, mich auf diese versteckte Notiz
aufmerksam zu machen, die mir sonst leicht entgangen wäre.
 
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