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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs: Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0244
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Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs.

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des Dogen von Genua sowie «masques de cire» öffentlich in Paris und an anderen Orten Frankreichs
zur Schau zu stellen. Sein Sohn Gabriel, gleichfalls Maler, führte das Geschäft des Vaters fort; das Pri-
vileg wurde ihm 1718 auf zwanzig Jahre erneuert. In einem zeitgenössischen Diarium aus Paris1 liest
man: «Les figures etoient en pie, habillees, atiffees richement selon la maniere de chaque pais, parce que
les personnes de qualite se piquoient de lui faire present de leurs plus beaux habits.» fDie Eitelkeit der
mondänen Kreise hat also an dieser Schaustellung reichlich Anteil gehabt. Jenes Privileg ist aber ein
merkwürdiges Dokument; ein Künstler vom Range und in der sozialen Stellung dieses Antoine Benoist,
des geadelten Hofmalers und Aka-
demikers, erscheint als Inhaber
eines der ersten in Europa öffent-
lich um Geld gezeigten Wachs-
figurenkabinette.

Dergleichen zeigt uns den
ganzen Abstand von heutigen Wer-
tungen, zugleich aber auch die
Bahn, in der sich die künftige ab-
steigende Entwicklung dieses prä-
tentiösen, in den höchsten Schich-
ten der Gesellschaft eingebürger-
ten Kunstzweiges bewegt. Benoists
Beispiel ist auch nicht ohne Nach-
folge geblieben. Aus dem Wort-
laute jenes Privilegs geht hervor,
daß schon damals andere Unter-
nehmungen solcher Art existierten,
gegen deren Konkurrenz Benoist
eben den Schutz des Königs anrief
und erhielt.

Tatsächlich lassen sich die
Spuren solcher Schaustellungen
noch weiter zurück, bis in den An-
fang des XVII. Jahrhunderts ver-
folgen. Wir erinnern uns der
Büste Michel Bourdins, die dieser
in freier Konkurrenz mit Dupre
und Jacquin2 für die Leichenfeier

Heinrichs IV. von Frankreich hergestellt hatte. Nun hat Vitry3 die Akten eines merkwürdigen Pro-
zesses entdeckt, den der Künstler 1611 in Saintes gegen einen gewissen Francois de Bechefer, «secre-
taire de Mgr. le prince de Conty», führen mußte. Dieser hatte mit dem Künstler einen Kontrakt ge-
schlossen, dessen Tenor uns nicht bekannt ist, nach dem er ihm aber monatlich 150 Livres für die
Überlassung seines Werkes zu zahlen hatte. Dieser Kontrakt muß irgendwie verletzt worden sein; tat-
sächlich weigert sich Bourdin, die bei Gericht deponierte Effigie zu übernehmen, weil sie gegen den
Wortlaut des Vertrages beschädigt sei, ein Finger der linken Hand fehle, auch der Beigaben eines «ciel»
und «doucier, le tout de vellours bleu chamarre de gallon de or faux» entbehre. Aus diesen Umstän-
den geht mit Sicherheit hervor, daß es sich um eine Reproduction der Effigie, wie man sie bei den

Fig. 42. Prinz Friedrich Ludwig (f 1708
(Schloß Monbijou).

1 Lami, a. a. 0., 27.

2 Siehe vorher, S. 194-

3 Chronique des arts 1898, 290.

XXIX. 3i
 
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