Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs.
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Wenn selbst wir heute noch von Redekunst, Kriegskunst, Arzneikunst u. a. m. sprechen, so haftet diesen
Ausdrücken, die unserer ganzen Denkweise nach eigentlich veraltet sind, doch die Eierschale älterer Ge-
dankenrichtungen an; es ist vor allem das technische Element, das dabei bestimmend wirkt. Das Mittel-
alter ist auf diesem Wege fortgeschritten; sein Intellektualismus, der noch in Dantes Kunstlehre auffällig
hervortritt, sieht das Wesen der Kunst im Symbolischen und Moralischen; so weit es eine Scheidung
von Kunst und Handwerk überhaupt versucht hat, ist es eher geneigt, die bildenden Künste den artes
mechanicae, d. i. dem, was wir Handwerk und Gewerbe nennen, als Appendix zuzuweisen. Seine eigent-
lichen Künste sind ganz andere: der siebenfache Kanon der «Freien», der artes liberales, von denen die
Fig. 5 3. Relief der heil. Familie
(Bologna, SS. Vitale ed Agricola).
Artistenfakultät der Universität ihren Namen trägt, also das Schulwissen, das begrifflich und logisch,
aber nicht in Anschauung und sinnlicher Darstellung begründet ist. Die Praxis ist dieser theoretischen
Anschauung durchaus gefolgt, weit bis ins XV. und XVI. Jahrhundert hinein reicht der zünftige und
handwerkliche Betrieb der Werkstätten mit ausgiebigster Arbeitsteilung, Dinge, die nur zu häufig über-
sehen werden, obwohl sie selbst für die individuelle Stilbestimmung von Wichtigkeit sein können. In-
dustriellen Betrieb hat es freilich zu allen Zeiten gegeben und gibt es auch heute noch, die Kunstmaler
vom Schlage des Meisters Habersaat werden auch schwerlich jemals ganz aussterben. Aber der hand-
werkliche Betrieb, die Art, wie Aufträge aller Art, bis auf Schilder und Fahnenstangen, ja bis auf die
Herstellung von Schminken (im Rezeptbuch Cenninis) herab, gegeben und angenommen werden, ist
einmal für die ältere Zeit die Regel; und daß es dem Gewerbe wie der Kunst nicht schlecht bekommen
hat, beweist eben die künstlerische Atmosphäre, die das Leben der alten Zeit bis ins kleinste durchdringt
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Wenn selbst wir heute noch von Redekunst, Kriegskunst, Arzneikunst u. a. m. sprechen, so haftet diesen
Ausdrücken, die unserer ganzen Denkweise nach eigentlich veraltet sind, doch die Eierschale älterer Ge-
dankenrichtungen an; es ist vor allem das technische Element, das dabei bestimmend wirkt. Das Mittel-
alter ist auf diesem Wege fortgeschritten; sein Intellektualismus, der noch in Dantes Kunstlehre auffällig
hervortritt, sieht das Wesen der Kunst im Symbolischen und Moralischen; so weit es eine Scheidung
von Kunst und Handwerk überhaupt versucht hat, ist es eher geneigt, die bildenden Künste den artes
mechanicae, d. i. dem, was wir Handwerk und Gewerbe nennen, als Appendix zuzuweisen. Seine eigent-
lichen Künste sind ganz andere: der siebenfache Kanon der «Freien», der artes liberales, von denen die
Fig. 5 3. Relief der heil. Familie
(Bologna, SS. Vitale ed Agricola).
Artistenfakultät der Universität ihren Namen trägt, also das Schulwissen, das begrifflich und logisch,
aber nicht in Anschauung und sinnlicher Darstellung begründet ist. Die Praxis ist dieser theoretischen
Anschauung durchaus gefolgt, weit bis ins XV. und XVI. Jahrhundert hinein reicht der zünftige und
handwerkliche Betrieb der Werkstätten mit ausgiebigster Arbeitsteilung, Dinge, die nur zu häufig über-
sehen werden, obwohl sie selbst für die individuelle Stilbestimmung von Wichtigkeit sein können. In-
dustriellen Betrieb hat es freilich zu allen Zeiten gegeben und gibt es auch heute noch, die Kunstmaler
vom Schlage des Meisters Habersaat werden auch schwerlich jemals ganz aussterben. Aber der hand-
werkliche Betrieb, die Art, wie Aufträge aller Art, bis auf Schilder und Fahnenstangen, ja bis auf die
Herstellung von Schminken (im Rezeptbuch Cenninis) herab, gegeben und angenommen werden, ist
einmal für die ältere Zeit die Regel; und daß es dem Gewerbe wie der Kunst nicht schlecht bekommen
hat, beweist eben die künstlerische Atmosphäre, die das Leben der alten Zeit bis ins kleinste durchdringt
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