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Arpad Weixlgärtner.
Pergamentstreifen, auf dem zu lesen steht: «Ein Indianischer Stab, darauf das alt
vnd new Testament gestochen ist.» Die Buchstaben des Knaufes sind aufzulösen
als: Wilhelm (V., der Fromme, 1579—1598) Herzog in Bayern. Der Stab mißt
ungefähr i36.5 cm in der Länge.
Die Beschreibung des zweiten Stabes (Inv.-Nr. D. 207, Fig. 3o) lautet im an-
geführten Inventar folgendermaßen: «7. Ein detto etwas kleinerer stab von rohr,
auf welchen das leiden Christi schönstens eingestochen, worauf ein silberner knöpf
von filogranarbeit, und ist der stab durchaus mit dergleichen arbeithen von silber
geziert und mit verschidenen kleinen amatisten garniret.»1 Vom Knauf abwärts zur
Spitze finden sich folgende Darstellungen graviert: 1. Maria Verkündigung.
2. Maria Heimsuchung. 3. Anbetung der Hirten. 4. Darstellung im Tempel.
5. Christus im Tempel. 6. Christus auf dem Olb erg. 7. Geißelung Christi.
8. Dornenkrönung. 9. Christus am Kreuz. 10. Auferstehung. 11. Himmel-
fahrt Christi. 12. Herabkunft des hl. Geistes. i3. Mariä Himmelfahrt.
14. Krönung Mariä. 15. Landschaft. Der Stock, der etwa i36 cm lang ist, ver-
jüngt sich von oben nach unten. Dementsprechend werden die Darstellungen immer
kleiner. Jede läuft bandartig fast um den ganzen Umfang des Stabes herum. Zwischen
den einzelnen Bildern sind ornamentale Streifen angebracht. Die Knoten des Stabes
sind mit Silberfiligranringen, die mit Amethysten besetzt sind, versehen. Ahnlich
gearbeitet sind auch der Knauf und der Schuh.
Sind die Gravierungen des ersten Stabes ganz primitiv, ja roh, so zeugen
die des zweiten von einer viel geübteren, in den Ornamentstreifen sogar geschmack-
vollen Hand, die immerhin, wenn auch nicht gerade auf hervorragende Weise, in
Kupfer gestochen oder besser: radiert haben könnte. Die Szenen aus dem Leben
Christi sind aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vom Graveur selbst erfunden
sondert nach Kupferstichen kopiert, was freilich an und für sich seiner Geschick-
lichkeit keinen Eintrag tut. Vermutlich sind sie die Arbeit eines italienischen
Kupferstechers vom Ende des XVI. Jahrhunderts, während die Gravierungen auf
dem zuerst besprochenen Pilgerstab einer handwerksmäßigen Fabrikation, wie sie
etwa an berühmten Wallfahrtsorten üblich ist, zu entstammen scheinen. Die Her-
vorhebung der Legende des hl. Angelus, eines Heiligen aus dem Carmeliter-Orden,
der 1225 in Leocata (Licata, Leonata) auf Sizilien den Martertod erlitten hat und
besonders hier und in Palermo verehrt wird, darf vielleicht zugunsten der Ent-
stehung des Stabes in Sizilien angeführt werden.2
Wohl gleichfalls noch dem Ende des XVI. Jahrhunderts und gleichfalls Italien
gehört die künstlerisch hochstehende Gravierung auf dem Fragment eines Bam-
busstabes in der Estensischen Sammlung an.3 Es hat die Form eines Zylinders,
von dem parallel zu seiner Längsachse ein Stück abgespalten ist, mißt 134 mm in
der Höhe, ca. 25 in der Breite, führt die Inv.-Nr. 254 (alt: 478) und ist mehrfach
zersprungen. Die Darstellung gliedert sich in drei Streifen: Oben: drei aufrechte
Frauengestalten, die dritte rechts unvollständig. Die mittlere hält Hammer und
Meißel, die rechte ein Winkelmaß. Es sind wohl Verkörperungen der Malerei,
Fig. 3o. Detail eines
gravierten Rambusstabes
(italienisch, Ende des
XVI. Jahrhunderts).
Wien. Hofmuseum.
1 A. Sitte, 1. c, S. 141, Nr. 79.
2 Der Dialekt des Textes läßt sich kaum für diese Lokalisierung verwerten. Wie mir Wilhelm
Meyer-Lübke gütigst mitteilt, ist Angilo wohl sizilianisch und weist auch lu nach dem Süden. Dui
kann nördlichen und südlichen Mundarten angehören. Rctornare ist dem nördlichen und südlichen
Festland, nicht aber Sizilien eigentümlich, wie sich denn überhaupt Angilo und rctornare schwer ver-
einigen lassen.
3 Das interessante Stück kennen gelernt zu haben, verdanke ich meinem Freunde Hermann
Julius Hermann.
Arpad Weixlgärtner.
Pergamentstreifen, auf dem zu lesen steht: «Ein Indianischer Stab, darauf das alt
vnd new Testament gestochen ist.» Die Buchstaben des Knaufes sind aufzulösen
als: Wilhelm (V., der Fromme, 1579—1598) Herzog in Bayern. Der Stab mißt
ungefähr i36.5 cm in der Länge.
Die Beschreibung des zweiten Stabes (Inv.-Nr. D. 207, Fig. 3o) lautet im an-
geführten Inventar folgendermaßen: «7. Ein detto etwas kleinerer stab von rohr,
auf welchen das leiden Christi schönstens eingestochen, worauf ein silberner knöpf
von filogranarbeit, und ist der stab durchaus mit dergleichen arbeithen von silber
geziert und mit verschidenen kleinen amatisten garniret.»1 Vom Knauf abwärts zur
Spitze finden sich folgende Darstellungen graviert: 1. Maria Verkündigung.
2. Maria Heimsuchung. 3. Anbetung der Hirten. 4. Darstellung im Tempel.
5. Christus im Tempel. 6. Christus auf dem Olb erg. 7. Geißelung Christi.
8. Dornenkrönung. 9. Christus am Kreuz. 10. Auferstehung. 11. Himmel-
fahrt Christi. 12. Herabkunft des hl. Geistes. i3. Mariä Himmelfahrt.
14. Krönung Mariä. 15. Landschaft. Der Stock, der etwa i36 cm lang ist, ver-
jüngt sich von oben nach unten. Dementsprechend werden die Darstellungen immer
kleiner. Jede läuft bandartig fast um den ganzen Umfang des Stabes herum. Zwischen
den einzelnen Bildern sind ornamentale Streifen angebracht. Die Knoten des Stabes
sind mit Silberfiligranringen, die mit Amethysten besetzt sind, versehen. Ahnlich
gearbeitet sind auch der Knauf und der Schuh.
Sind die Gravierungen des ersten Stabes ganz primitiv, ja roh, so zeugen
die des zweiten von einer viel geübteren, in den Ornamentstreifen sogar geschmack-
vollen Hand, die immerhin, wenn auch nicht gerade auf hervorragende Weise, in
Kupfer gestochen oder besser: radiert haben könnte. Die Szenen aus dem Leben
Christi sind aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vom Graveur selbst erfunden
sondert nach Kupferstichen kopiert, was freilich an und für sich seiner Geschick-
lichkeit keinen Eintrag tut. Vermutlich sind sie die Arbeit eines italienischen
Kupferstechers vom Ende des XVI. Jahrhunderts, während die Gravierungen auf
dem zuerst besprochenen Pilgerstab einer handwerksmäßigen Fabrikation, wie sie
etwa an berühmten Wallfahrtsorten üblich ist, zu entstammen scheinen. Die Her-
vorhebung der Legende des hl. Angelus, eines Heiligen aus dem Carmeliter-Orden,
der 1225 in Leocata (Licata, Leonata) auf Sizilien den Martertod erlitten hat und
besonders hier und in Palermo verehrt wird, darf vielleicht zugunsten der Ent-
stehung des Stabes in Sizilien angeführt werden.2
Wohl gleichfalls noch dem Ende des XVI. Jahrhunderts und gleichfalls Italien
gehört die künstlerisch hochstehende Gravierung auf dem Fragment eines Bam-
busstabes in der Estensischen Sammlung an.3 Es hat die Form eines Zylinders,
von dem parallel zu seiner Längsachse ein Stück abgespalten ist, mißt 134 mm in
der Höhe, ca. 25 in der Breite, führt die Inv.-Nr. 254 (alt: 478) und ist mehrfach
zersprungen. Die Darstellung gliedert sich in drei Streifen: Oben: drei aufrechte
Frauengestalten, die dritte rechts unvollständig. Die mittlere hält Hammer und
Meißel, die rechte ein Winkelmaß. Es sind wohl Verkörperungen der Malerei,
Fig. 3o. Detail eines
gravierten Rambusstabes
(italienisch, Ende des
XVI. Jahrhunderts).
Wien. Hofmuseum.
1 A. Sitte, 1. c, S. 141, Nr. 79.
2 Der Dialekt des Textes läßt sich kaum für diese Lokalisierung verwerten. Wie mir Wilhelm
Meyer-Lübke gütigst mitteilt, ist Angilo wohl sizilianisch und weist auch lu nach dem Süden. Dui
kann nördlichen und südlichen Mundarten angehören. Rctornare ist dem nördlichen und südlichen
Festland, nicht aber Sizilien eigentümlich, wie sich denn überhaupt Angilo und rctornare schwer ver-
einigen lassen.
3 Das interessante Stück kennen gelernt zu haben, verdanke ich meinem Freunde Hermann
Julius Hermann.