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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Weixlgärtner, Arpad: Ungedruckte Stiche: Materialien und Anregungen aus Grenzgebieten der Kupferstichkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0378
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Arpad Weixlgärtner.

und zwar aus leicht einzusehenden Gründen in ihrer Sekundärgalerie, sind einige solcher Kopien vor-
handen. Ein deutsches Bild des XVI. Jahrhunderts ist eine Kopie nach dem den hl. Sebastian darstel-
lenden Stich von Albrecht Dürers großem Vorläufer Martin Schongauer (B. 60). Die Stiche Dürers
selbst wurden, wie wir bereits an dem einen Fall des Eustachius gesehen haben, ungemein häufig
kopiert, nicht nur in Deutschland sondern auch in den Niederlanden und in Italien. In den Uffizien
befindet sich z. B. eine Kopie der Gefangennahme Christi aus der großen Holzschnittpassion (B. 7); sie
weist interessanterweise das bekannte Kolorit (ich erinnere nur an die Changeantfarben, an das dem
Lila gegenübergestellte Zitronengelb) der Florentiner Manieristen aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahr-
hunderts auf. Die kaiserliche Sekundärgalerie bewahrt eine kleine gemalte Kopie der Dürerschen Markt-
bauern (B. 86) auf. Fast gleicher Schätzung wie die Stiche Dürers erfreuten sich die seines großen
holländischen Zeitgenossen Lukas van Leyden. Eine Kopie von dessen Ecce Homo (B. 71) befindet
sich charakteristischerweise gleichfalls in der Sekundärgalerie des Wiener Hofmuseums. Es ist nur

«Der Markt zu Impruneta bei Florenz» (Meaume 624) in der Hauptgalerie (Französische Meister, Ka-
binett V, Nr. 575). Daß aber schon das XV. Jahrhundert nicht nur in den Miniaturen der Hand-
schriften sondern auch auf Tafelbildern fleißig zeitgenössische Stiche mit dem Pinsel wiederholte, dafür
finden sich zahlreiche Belege in Lehrs' Geschichte und kritischem Katalog. Die kaiserliche kunstindu-
strielle Sammlung besitzt z.B. die sogenannte Hussitenbibel (Inv.-Nr. 5011), ein Manuskript, von
dessen Miniaturen, wie schon Theodor v. Frimmel nachgewiesen hat,1 eine ganze Reihe nach Stichen
Martin Schongauers und des Meisters ES kopiert ist. Der Besteller dieses am 29. Juli 1491 voll-
endeten Chormissales ist Michael Wrchowist, Berghofmeister zu Kuttenberg in Böhmen; als Maler
nennt sich derselbe «Matheus Iluminator», der auch die Miniaturen im Kuttenberger Graduale der Hof-
bibliothek (Cod. 15501) geschaffen hat. Von Schongauers Stichen diente als Vorbild: Für die Maria
auf S. 1 B. 28, für die zwei Engel mit Kronen ebenda B. 3i, für die Taufe Christi auf S. 142 B. 8, für
die Olbergszene auf S. 405 B. 9, für Johannes den Täufer auf S. 513 B. 54, für den thronenden Chri-
stus im Initial unten auf S. 628 B. 70, für die Maria auf S. 650 B. 28, für den Auferstandenen auf S. 704
B. 20. An die Ornamente B. 112—116 schließen sich die Randverzierungen an. Nach des Meisters ES

1 Urkunden, Regesten und anistisches Quellenmaterial aus der Bibliothek der kunsthistorischen Sammlungen des Ah.
Kaiserhauses, in diesem Jahrbuch V (1887), II. Teil, S. VI ff., Nr. 4006.

Fig. 41. Jacques Callot, 12. Blatt der Balli di Sfessania.
Radierung, Meaume 652.

natürlich, daß zu einer Zeit wie der
rudolfinischen, da die Erfindung spär-
licher floß und der Respekt vor der
vor etlichen Dezennien verwelkten
hohen Kunstblüte, wie die Ankäufe
von Bildern der deutschen Renais-
sancemeister durch die adeligen
Kunstsammler und die Fälschungen
von Werken, vor allem Albrecht Dü-
rers, beweisen, gar gewaltig war,
oder im XVII. Jahrhundert, da das
Nationalunglück des Dreißigjährigen
Krieges über Deutschland hereinge-
brochen war und selbständiges Kunst-
schaffen fast ganz erstickte, unermüd-
lich nach den Stichen Dürers und der
Kleinmeister kopiert wurde. Nieder-
ländisch oder deutsch ist eine gemalte
Kopie des XVII. Jahrhunderts nach
Jacques Callots großer Radierung
 
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