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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Kuhn, Alfred: Die Illustration des Rosenromans
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0025
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Die Illustration des Rosenromans.

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Man unterscheidet jetzt drei große Quartiere: Rechts der Seine «le quartier d'outre Grand Pont», später
«la ville» genannt, den Sitz des reichen Bürgertums; da befanden sich der Louvre (in seiner alten Form),
daneben das Palais du Petit Bourbon, das Hotel der Grafen d'Alencon, weiter östlich das Hotel de
Nesle; da standen die großen Verkaufshallen neben dem Friedhof von S. Innocent und eine große Menge
Kirchen und Spitäler. Links der Seine, «le quartier d'outre Petit Pont» genannt, später «pays latin»
geheißen, der Sitz der Universität, die sich aus den Colleges schon deutlich zu formieren begann, der
Bernhardiner, der Freres Mineurs, der Jacobiner und eine Reihe von Kirchen. Der Hauptsitz der Geist-
lichkeit aber war die Cite. Da erhoben sich die gewaltigen Mauern der eben vollendeten Notre Dame,
da stand die Sainte Chapelle, die 1248 durch ein kräftig aufblühendes Glasmaleratelier ihren Fenster-
schmuck erhalten hatte, da lagen St. Michel, St. Barthelemy, St. Denis de la Chartre, Ste. Marie, St.
Agnan, St. Denis du Pas etc. und am Flusse neben dem Hostel Dieu dehnte sich der erzbischöfliche
Palast aus. Vier große Straßen, deren säuberliche Pflasterung nach dem unbeschreiblichen Schmutze der
voraufgegangenen Zeit als Segen empfunden wurde, durchzogen die Stadt, die eine neue, unter der
Regierung Philipps des Schönen hergestellte Umwallung weit um das Doppelte ihrer Oberfläche ver-
größerte. Die 1292 gelegentlich der Kopfsteuer vorgenommene Zählung ergab 15.200 Zahlungsfähige
und einen Ertrag von jjf 12.218, s. 14.1 Im Jahre i3i3 nahm Philipp in Gegenwart des Königs von
England eine Revue aller waffenfähigen Pariser ab, die nach übereinstimmender Mitteilung des Jean de
Saint Victor und Godefroys2 die Zahl 50.000 ergab. Überlegt man nun, daß bei der ersten Zahl
weder Adel und Geistlichkeit noch Studenten und Arme inbegriffen sind und bei der zweiten weder
Greise und Frauen noch Kinder und Krüppel, so wird man die Zahl 215.861, die Geraud nach kom-
plizierten Rechnungen erhält,3 nicht zu hoch finden. Scheint doch die Parade dem englischen König
nicht wenig imponiert zu haben.4

Die eben genannte Steuerrolle von 1292, die in ihrer musterhaften Ausgabe von Geraud überhaupt
eine der vorzüglichsten Quellen für die Kenntnis des mittelalterlichen Paris ist, zeigt neben regem
Gewerbefleiß schon mannigfache künstlerische Bestrebungen. Da gibt es 116 Goldschmiede, 24ymagiers,
worunter Maler und Bildhauer zu verstehen sind, da die 33 peintres wohl nur Handwerker waren, i3
enlumineurs, 24 escrivains, 19 parcheminiers, 8 libraires und 5 esmailleeurs. Dies bestätigen die be-
geisterten Ausführungen des Jean de Jaudun, der in seinem i323 verfaßten Tractatus de laudibus
Parisius5 sich folgendermaßen ausläßt: «In Paris trifft man sehr geschickte Künstler, sowohl was die
Skulptur betrifft, als auch die Malerei und die Reliefbildnerei. . . . Außerdem vorzügliche Ciseleure
von Vasen aus Gold, Silber, Zinn und Kupfer, die sich auf dem Grand Pont und an vielen anderen Orten
befinden, je nachdem es einem jeden gefällt, und die in harmonischem Takt den Hammer auf den Ambos
klingen lassen. Dann gibt es auch noch die Pergamentarier, die Schreiber, die Illuminatoren und die
Buchbinder, die mit um so größerer Hingebung daran arbeiten, die Werke der Wissenschaft damit zu
schmücken, deren Diener sie sind, da sie sehen, wie der Strom menschlicher Erkenntnis immer mächtiger
aus diesen unerschöpflichen Quellen alles Guten sich ergießt.»

Die auf blühende Universität hatte die Verbürgerlichung dieser Tätigkeiten herbeigeführt, die das
ganze Mittelalter hindurch die vornehmsten und von den Großen der Kirche immer wieder gewünschten
Obliegenheiten der Klosterbrüder gewesen waren. Durch das von der Universität versprochene Privileg
der Klerikatur angezogen, siedelten sich alle jene in ihrer Nähe an, die zum Buchgewerbe in Beziehung
standen. Die Umgegend der Porte St. Denis wurde ihr Quartier. Da lag die Rue des Notaires et
Eseripvains,6 heute Rue de la Parcheminerie, die Rue Bourc de Brie,7 Ende des XIV. Jahrhunderts Rue

1 Geraud, Paris sous Philippe le Bei d'apres des Documents ori<>inaux, contenant le Röle de la Taille, Paris 183y
(Coli, de Documents inedits sur l'histoire de France).

2 Godefroy, Chronique metrique de Paris, ed. Buchon 1827, p. 195.
ä A. a. O., p. 478.

* Godefroy, p. 194.

5 Le Roux de Lincy et Tisserand, Paris et ses Historiens, Paris 1867 (Histoire Generale de Paris, Collection des
Documents, p. 52).

6 Le Roux de Lincy et Tisserand, p. 176, n. 11. 7 Ebenda, p. 177, n. 2.

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