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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Kuhn, Alfred: Die Illustration des Rosenromans
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0032
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Alfred Kuhn.

von Chantilly Ms. 1480. Unter diesen Architekturbogen vor einem lachsfarbigen, goldquadrierten Hinter-
grund, der durch eingezeichnete Adler und Löwen geschmückt ist, ruht links der Liebende unter gold-
besäter blauer Decke. Ein grün und zinnoberrot gestreifter Vorhang ist hinter dem Lager aufgehängt.
Rechts sitzt Dangier auf einer zinnoberroten Truhe, die Keule in der Hand. Völlig ins Reindekorative
verliert sich die Schauseite der anderen erwähnten Handschrift, die noch weitere 73 Miniaturen mit zier-
lichen, in Zinnober, Hellblau und Moosgrün gekleideten Figuren enthält. Da sitzen links und rechts vom
Lager des Liebenden unter schlanktürmigen Baldachinen Dieu d'Amour mit Flügel und Krone und
Dangier mit der Keule. Jener hätte natürlich ebenso wenig wie dieser etwas am Eingange der Hand-
schrift zu suchen; sie erfüllen eben beide, rein dekorativ verwandt, ihre symbolische Funktion.

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Fig. 8. Tournai, Bibliotheque Municipale, C. I, fol. 94 v°.
i33o.

Auch die zweite Gruppe hat im Norden ihren Ursprung. Es ist die Gruppe, die den Liebes-
garten mit den Lasterbildern zum Hauptgegenstand der Schauseite macht. Tournai Ms. C. I. (Fig. 7)
leitet sie ein. Hier zum erstenmal scheinen wir in der Lage zu sein, die pikardisch geschriebene Hand-
schrift näher lokalisieren zu können. Sie ist am Explicit mit i33o datiert und nach E. Langlois1 in
Tournai oder zum mindesten von einem Tournaisier geschrieben. Auch das Wappen auf der Schauseite
weist dahin.2 Was den Stil der Miniaturen betrifft, so ist hinsichtlich der ersten Seite nichts gegen die
Lokalisierung einzuwenden. Die ungemein graziösen, mit spitzer Feder gezeichneten Figuren, die
kunstvoll sich windende Linie des Gewandsaumes, die zylinderartigen Rollfalten und überhaupt die
ganze kühle, aller malerischen Behandlung abholde Zeichenweise lassen an den Norden denken. Anders
steht es mit einer Reihe der übrigen 3o Miniaturen (Fig. 8). Die weichfallenden Stoffe mit den hellen
Faltenrücken, den rosa und blaugrauen Tönen erinnern stark an die Werke der Pucelleschen Schule,
wie auch die in unseren Handschriften einzig dastehende Art des Verlegens der Handlung auf den
Blattrand Erinnerungen etwa an das Brevier von Belleville wachruft. Unter der die Hälfte der Schreib-

1 E. Langlois, Gui de Mori et le Roman de la Rose: Bibliotheque de l'Ecole des Chartes 1907, p. 4 (zitiert nach
dem Sonderabdruck).

1 Es sind die Zeichen einer jüngeren Linie der Pouret aus Tournai.
 
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